Dem Religionssoziologen Rudi Förschler liegt das Zusammenleben mit Muslimen am Herzen. Damit dies gelingt, sei es wichtig, europäische Geschichte zu kennen. Die des Jakobswegs in Spanien sei hierzulande wenig bekannt. Sie ist auch ein Beispiel für Intoleranz gegenüber Andersgläubigen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Der Jakobsweg und die Reconquista, die Rückeroberung Spaniens von den Mauren bis ins 15. Jahrhundert, sind untrennbar. Der spanische Nationalheilige Jakobus wurde dazu sogar als martialischer Santiago Matamoros – als Maurentöter – dargestellt. Dieses Bild wurde auch zum Symbol für Francos faschistisch-nationalistische Politik. Eine Folge der Reconquista waren die Vertreibung von Muslimen und die von Juden aus Spanien. Für den Religionssoziologen Rudi Förschler aus Winnenden, der die Geschichte der Reconquista kennt, ist es schwer verständlich, weshalb Pilgern auf dem Jakobsweg in jüngster Vergangenheit solchen Anklang fand.

 

Geschichte darf sich nicht wiederholen

Angesichts der Heimattage in Winnenden, das an einer der großen Routen des deutschen Jakobsweg liegt, hätte sich Förschler eine kritischere Auseinandersetzung gewünscht. „Mir geht es nicht darum, den Leuten ihren Pilgerweg schlecht zu machen. Mir liegt das Zusammenleben mit Muslimen am Herzen.“ Angesichts zunehmender Ressentiments ist sein Anliegen brandaktuell.

„Damit sich Geschichte nicht wiederholt, muss man diese kennen“, sagt er. Die Geschichte Andalusiens, von den Arabern Al Andalus genannt, ist eine durchaus düstere. In dem Gebiet, das von 711 bis 1492 unter muslimischer Herrschaft stand und einen Großteil der Iberischen Halbinsel einnahm, herrschte große Toleranz, was Religionen anging. Muslime, Christen und Juden lebten friedlich zusammen. So kam es zu einer Blüte der Wissenschaften, der Kunst und der Wirtschaft.

Vertriebene revanchieren sich durch Vertreibung

Mit dem Frieden von Córdoba 1492 endete das schlagartig. Ein Land, eine Religion hieß es nun. Die besiegten Mauren wurden von dem spanischen Königspaar Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon vertrieben, ebenso die sephardischen Juden. Viele flohen in das Gebiet des Osmanischen Reiches, vor allem nach Istanbul. „Dieses war bis in das 19. Jahrhundert hinein eine überwiegend christliche Stadt, die Konstantinopel hieß. Das änderte sich erst durch die vielen Flüchtlinge, die später aus dem Westen kamen.“

Der Grund dafür war die „Reconquista“ Südosteuropas von der osmanischen Herrschaft durch die Habsburger. Der Historiker Philipp Ther rechnet mit rund einer Million Muslime, die vertrieben wurden. „Darunter auch der spätere türkische Innenminister, der sich als solcher mit der Vertreibung von etwa einer Million Armenier plus etwa 120 000 aramäischer Christen in die syrische Wüste revanchiert hat“, so Rudi Förschler. Ein Ressentiment schafft oft ein Gegenressentiment.

Misstrauen gegenüber Muslimen damals und jetzt

„Wenn wir den Türken ihr Verhalten gegenüber den Armeniern vorwerfen, dürfen wir nicht vergessen, wie zuvor von Europa mit den Türken umgesprungen wurde“, sagt Förschler. Die Vehemenz, mit der diese bis ins 19. Jahrhundert hinein aus Europa verdrängt wurden, habe mit der Angst vor dem starken Osmanischen Reich zu tun gehabt. Daraus entstand wiederum ein großes Misstrauen gegenüber Muslimen im Allgemeinen.

Wirft der 72-Jährige einen Blick in die Gegenwart, sieht er Ähnliches: „Allein das Fiasko in Syrien, der Umgang Europas mit den Kurden dort, ist beschämend. Sie haben gegen den IS gekämpft, nun lässt man sie im Stich.“ In Deutschland werden Vorbehalte gegenüber Muslimen immer lauter. „Wir müssen einen Weg finden, ein friedliches Miteinander zu schaffen.“

Verfolgung gehört zur Familiengeschichte

In Spanien war Rudi Förschler bereits in den 70er Jahren. „Damals kannte man den Jakobsweg in Deutschland nicht“, sagt der aus einer Winzerfamilie stammende langjährige Mitarbeiter der Gemeinnützigen Werkstätten Sindelfingen. Seine väterlichen Vorfahren waren Hugenotten, die aus Savoyen fliehen mussten, die protestantische Familie mütterlicherseits stammt aus Salzburg, von wo sie vor Katholiken flüchten musste. Verfolgung gehört auch zu seiner Familiengeschichte.

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Jakobswegs versuchte Förschler im Vorlauf zu den Heimattagen im Winnender Arbeitskreis Christlicher Kirchen auf den Weg zu bringen. Vergeblich. Ein Brief an den katholischen Pfarrer sei unbeantwortet geblieben.