Nach viereinhalb Jahren und 157 Ausgaben gibt Günther Jauch den ARD-Talksessel am Sonntagabend frei. Ein Abgang ohne Nachhall. Sein letzter Gast, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, vermag kein Glanzlicht mehr zu setzen. Jauch selbst schon gar nicht.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Wäre Wolfgang Schäuble ein Fernsehkritiker, dann müsste sein Urteil über den Abschiedstalk von Günther Jauch vernichtend ausfallen: „Immer dieselben Themen“, stöhnt er noch in der Sendung, als Jauch nach der verbliebenen Enttäuschung gründelt, weil Schäuble seinerzeit von Angela Merkel nicht ins Bundespräsidialamt vorgelassen wurde (sondern Horst Köhler).

 

Der Finanzminister findet es auch „nicht sehr originell“, den Filmbeitrag vorzubereiten, in dem Horst Seehofer die Kanzlerin wie ein ungezogenes Schulmädchen dastehen lässt. „Was soll ich dazu sagen?“, sagt Schäuble. „Jeder weiß, was ich davon halte.“ Seinen „Senf“ wolle er nicht dazu geben. Jauch und viele Zuschauer wissen nicht, was der Minister davon hält, weshalb es gut ist, dass er hinzufügt: Ein „bisschen unglücklich“ sei das (beim CSU-Parteitag) gelaufen. So kommt er noch heil aus der Sache raus, weil niemand nachhakt.

Schäuble bezeichnet sich als loyal und stichelt nicht offen gegen die Kanzlerin – erst recht nicht, wenn Jauch es von ihm erhofft. Der CDU-Routinier geht da subtiler vor. Logisch, dass der Gastgeber auch den Lawinen-Ausschnitt vorspielt, woraufhin Schäuble pflichtschuldig bekennt, dass „da nicht jedes Wort ganz genau bedacht ist“, weil er doch „viel frei“ rede. Dass Merkel gemeint gewesen sei, als er über den unvorsichtigen Skifahrer sinnierte, weist er allerdings von sich. Er habe bei ihr „alle möglichen Vorstellungen, aber nicht die von einer Skifahrerin“, so Schäuble. Diese launige Replik bringt ihm einen Lacher ein, ist aber nur ein typisches Ausweichmanöver.

Weisheiten aus dem Politikerhandbuch

Nun kann man Jauch nur bedingt vorwerfen, dass er nicht die große Provokation aus dem Gast herausholt. Schäuble ist klug genug, in einer derart beachteten Sendung kaum mehr als das Bekannte und Erwartete von sich zu geben. Jauch hätte somit ahnen können, dass dieses Gespräch nicht als Höhepunkt der 157 Auftritte im Berliner Gasometer taugen wird. Stattdessen wählte er die risikolose Variante. Lieber ließ Jauch den dienstältesten Bundestagsabgeordneten sich selbst als Ratgeber von Merkel loben. Lieber ließ er ihn Weisheiten aus dem Politikerhandbuch von sich geben („Krisen sind immer auch Chancen“), dabei Hölderlin zitieren („In der Gefahr wächst das Rettende“) und zugleich Phrasendrescherei monieren. Und lieber ließ er den 73-Jährigen sich so sehr in seinen Antworten verlieren, dass man sich zuweilen kaum an die Frage erinnern konnte. Manche blieb entsprechend unbeantwortet.

Eines sollte jedoch vermieden werden: Dass das ARD-Gastspiel durch eine der üblichen Schreirunden beendet wird. Bloß nicht noch einen kruden Politiker auftreten lassen, der seinen Stuhl mit einer Flagge garniert – bloß nicht noch eine Stinkefinger-Affäre. Es gab genügend Sonntagabende, die vor allem wegen des Theaters hinterher in Erinnerung geblieben sind.

Anne Will startet am 17. Januar

2011 hatte sich Jauch für den Sonntagabend geradezu aufgedrängt. Damals musste Anne Will weichen, die ihm (beginnend am 17. Januar) auch nachfolgen wird. Die Masse des Publikums hat er angesprochen mit seinen mitunter populären Gästen und der Themenmischung, mit seiner Nachsicht beim Moderieren und dem Hundeblick, wenn ihn eine Antwort nicht ganz zufrieden stellte. Jauch war ein Quotenbringer. Durchschnittlich sahen ihn 4,6 Millionen Zuschauer, was einen Marktanteil von im Schnitt 16,2 Prozent ausmachte. Exakt dieselben Werte wurden beim finalen Abgang gemessen, den man somit ungestraft als durchschnittlich bezeichnen darf. Fast jede dritte Sendung wurde von mehr als fünf Millionen Menschen verfolgt.

Ob denn 2017 das Ende der politischen Laufbahn nahe, will Jauch kurz vor Ende von Schäuble wissen. „Ich schließe aus, dass ich zu dieser Frage zu diesem Zeitpunkt irgendetwas sage“, sagt dieser. Es sei eine „Untugend der Medien“, immer gleich über den nächsten Wahlkampf reden zu wollen. Auf den letzten Metern mag Jauch auch nicht mehr widersprechen – nachdem er es vier Jahre lang kaum versucht hat.

Zumal er sich selbst darüber ausschweigt, warum er nicht weitermachen will. Aus beruflichen wie privaten Gründen habe er das Angebot, den Vertrag zu verlängern, nicht angenommen, hat er bisher lediglich gesagt. Die Berufskritiker werden ihn kaum vermissen – der eine oder andere Zuschauer vielleicht doch.