Daniel Noll berichtet im vierten Teil unserer Serie über seine zweite Adventszeit in der Antarktis. Dort herrscht Polartag: Es wird nicht dunkel. Aber dafür sind weiße Weihnachten überhaupt kein Problem.

Stuttgart - „Stille Nacht, heilige Nacht“ wird am 24. Dezember auf der Forschungsstation Neumayer III wohl keiner singen. Und wenn doch, dann passt es nicht, denn es gibt keine Nacht im antarktischen Hochsommer. Und mit der Stille ist es bei oft heulendem Sturm auch nicht so weit her. Dafür soll es laut Wetterprognose Sonne satt am Heiligen Abend geben, und das rund um die Uhr. Weihnachten wird also für Daniel Noll ein ganz spezielles Fest, sein zweites auf dem südlichsten Arbeitsplatz eines Stuttgarters.

 

Das Leben auf der Station im ewigen Eis ist jetzt ein ganz anderes als in den langen, dunken und bitterkalten Wintermonaten zwischen April und Oktober. Das zwölfköpfige Überwinterungsteam, zu dem auch der Sillenbucher IT-Spezialist und Pilot Noll gehört, ist nicht mehr alleine in dem auf Stelzen gebauten Forschungsbau. Zu Weihnachten werden etwa 45 Menschen auf Neumayer III leben und arbeiten. Die Sonne scheint jetzt im antarktischen Hochsommer nahezu 24 Stunden, die Temperaturen liegen bei klarem Himmel zwischen null Grad, wenn die Sonne am höchsten steht, und minus zwölf Grad am Tiefpunkt.

Weiße Weihnacht garantiert!

Bei bewölktem Himmel sinkt das Thermometer jetzt nur noch knapp unter null Grad, und es schneit. „Weiße Weihnachten sind hier absolut garantiert“, sagt Noll lachend. Wohl wahr, das könnte man tatsächlich jeden Tag feiern wie bei Heinrich Bölls berühmter Satire „Nicht nur zur Weihnachtszeit“.

Kurz vor Weihnachten vor einem Jahr ist der 30-jährige aus Sillenbuch mit dem Flugzeug über Südafrika und die russische Station Novolazarevskaya (der Einfachheit halber: Novo) im Ekström-Schelfeis eingetroffen. Er kennt also den künstlichen Christbaum, der jetzt im Speisesaal aufgebaut und dekoriert wird, schon, aber es sei ein schöner Baum, sagt er. Festlich wird natürlich auch das Essen an Heiligabend, einschließlich selbst gebackener Plätzchen. Und traditionell: Gänsebraten mit Knödel und Blaukraut. Frisches Kraut, wohlgemerkt. Im November sind mit dem ersten Versorgungsflugzeug nach der monatelangen Polarnacht auch wieder frische Lebensmittel eingetroffen. Und nach der langen Wartezeit schmeckte denn auch ein Apfel wie eine Delikatesse, erklärt Noll.

In diesen Tagen, wenn das Wetter mal passt – wird auch der Flieger mit dem nächsten Überwinterungsteam erwartet. Zuerst feiert man zusammen, danach beginnt die stückweise Übergabe der Aufgaben an die Neuen. Vor einem Jahr wurde Noll eingearbeitet, nach Weihnachten zeigt der Sillenbucher nun seinem Nachfolger Dinge, die der wissen muss, um die Server und die Telefonkanäle am Laufen zu halten und den Mailverkehr sicher zu garantieren. Das waren seit einem Jahr die Aufgaben von Noll.

Geschenke haben einen langen Weg hinter sich

Auch Geschenke wird es an Weihnachten tief im Süden geben. Und die waren dann sehr lange auf dem Weg. Bereits im September traten die Präsente aus der Heimat ihre Reise gen Süden an. Daniel Noll freut sich auf ein paar Ersatzteile und eine neue Kamera für sein Smartphone, die er als IT-Spezialist auch selbst einbauen kann. Zusätzlich gibt es einen neuen Kopfhörer – und vielleicht auch noch eine Überraschung von der Familie oder der Freundin, wer weiß. Unterm Weihnachtsbaum werden die Päckchen aber noch nicht liegen, das Schiff aus Südamerika hat Verspätung, wird aber noch vor Silvester erwartet. Apropos Silvester: Auch der Start ins neue Jahr wird in der Antarktis gefeiert. Und wenn es das Wetter – vor allem der Wind – zulässt, wird auf dem Dach der Station angestoßen. Nur ein Feuerwerk wird es nicht geben, aber nicht, weil es bei fast 24 Stunden Tageslicht wahrscheinlich ein wenig fad wäre, sondern aus Umwelt- und Tierschutzgründen, auch hier am Ende der Welt. „Die Auflagen sind sehr streng“, erklärt Daniel Noll, „und auch die Pinguine leben viel zu nahe an der Station.“

In knapp sieben Wochen endet für den in Russland geborenen Wahlschwaben Noll das Abenteuer im ewigen Eis. Rückflug nach 14 Monaten Arbeit an einem extremen Ort. Aber davor wird er im letzten Teil unserer Serie Ende Januar noch seine ganz persönliche Bilanz über den Job im ewigen Eis ziehen. Und dann geht es in Urlaub.