Der VfB Stuttgart, der 1. FC Nürnberg und Hannover 96 liefern sich im Tabellenkeller der Fußball-Bundesliga ein Schneckenrennen wie lange nicht. Gekürt wird am Ende vielleicht der schlechteste Nicht-Absteiger seit Einführung der Drei-Punkte-Regel.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Jahrelang war der Kampf gegen den Abstieg das Aufregendste, was die Fußball-Bundesliga zu bieten hatte. Auf alle Fälle elektrisierender als die Frage, ob die Münchner Bayern nun am 29. oder 30. Spieltag Deutscher Meister werden.

 

Was für Dramen sich da abspielten! Man denke nur an den Hamburger SV, der mehrfach besten Stoff für die große Bühne lieferte. Oder der VfB Stuttgart. Unvergessen die Spielzeit 2014/15, als ein Tor von Daniel Ginczek in der 72. Minute den VfB am letzten Spieltag noch auf Tabellenplatz 14 hochspulte. Ohne diesen Treffer wären die Stuttgarter abgestiegen – und zwar direkt. Ein unvergessenes Spektakel bot auch die Spielzeit 1998/99. Wegen eines Tores warf es die armen Clubberer aus Nürnberg am letzten Spieltag noch von Rang zwölf auf einen Abstiegsplatz zurück.

VfB oder Nürnberg als letzte offene Frage

Vergangenheit. In diesem Jahr droht die große Langeweile. Fünf Spieltage vor Schluss scheinen die meisten Entscheidungen gefallen. Hannover 96 hat sich bereits aufgegeben, Schalke 04 und der FC Augsburg verfügen mit sechs beziehungsweise sieben Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz über ein kommodes Polster. Der letzte offene Kampf dürfte sich zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem VfB Stuttgart um den Relegationsplatz abspielen – sollte der VfB am Samstag (15.30 Uhr) in Augsburg das Feld nicht wieder zusammenschieben.

Diese Spannungsarmut hat einen Grund. Noch nie war ein Trio im Bundesliga-Keller so schlecht, noch nie wurden gleich drei Mannschaften derart von der Konkurrenz abgehängt. Wären der VfB, Nürnberg und Hannover bei der Tour de France am Start – das Trio wäre ein Fall für den Besenwagen.

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Mit 14 Punkten steuert Hannover 96 schnurstracks auf die Top Ten der schlechtesten Bundesliga-Absteiger der Geschichte zu. Platz zehn belegt derzeit Borussia Mönchengladbach, die 1998/99 mit 21 Punkten den Gang in die Zweitklassigkeit antreten mussten. Dass der Aufsteiger aus Nürnberg mit 18 Punkten nach 29 Spieltagen und zwischenzeitlich 20 sieglosen Spielen überhaupt noch Chancen auf den Klassenverbleib besitzt, darf als glückliche Fügung des Schicksals gelten. Denn auch die Bilanz des Tabellen-16. VfB Stuttgart (21 Punkte) vor dem Duell beim FC Augsburg ist die eines Absteigers.

Zum Vergleich: 2016 musste der VfB das Oberhaus mit 33 Punkten verlassen. Eine solche Punkteausbeute ist nach jetzigem Stand Utopie. Und als sich der HSV 2014 mit 27 Pünktchen in die schließlich erfolgreichen Ausscheidungsspiele gegen den Zweitliga-Dritten rettete, galt dies als Bankrotterklärung für die Bundesliga.

In diesem Jahr nun droht der Hamburger Tiefstmarke der Fall. Unter Umständen reichen dem VfB am Ende sogar seine 21 Zähler, sofern Nürnberg kein Spiel mehr gewinnt. Das wäre Rekord. So lag der Punkteschnitt der Bundesliga-Absteiger seit Einführung der Drei-Punkte-Regel immer bei mindestens 25,5. Für diese Saison hochgerechnet läge er bei 19.

Unterbietet der VfB die Hamburger Tiefstmarke?

Wer nach Erklärungen sucht, landet schnell bei der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich. Dieser Ansatz mag für den Vergleich mit den Spitzenteams gelten. Als Begründung für das schlechte Abschneiden des VfB und von Hannover taugt er nicht. Stuttgart lag vor der Saison auf Platz fünf der Transferausgaben, die Niedersachsen bewegen sich finanziell im unteren Bundesliga-Mittelfeld. Für Nürnberg mag die Bundesliga inzwischen eine Nummer zu groß sein, doch das gilt im Prinzip auch für Fortuna Düsseldorf. Der Aufsteiger hat den Klassenverbleib aber bereits sicher.

„Dass das zweite Jahr nach dem Aufstieg immer das schwerste ist, sieht man an Hannover“, versuchte sich VfB-Kapitän Christian Gentner einmal an einer Erklärung für die missratene Stuttgarter Spielzeit. Ein Funken Wahrheit scheint dem Klischee innezuwohnen. Sowohl der Club aus Cannstatt als auch der Wettbewerber von der Leine haben diese Saison auf die leichte Schulter genommen. Der Kampf gegen den Abstieg wurde unterschätzt beziehungsweise von vornherein als nicht relevant betrachtet. So kann man sich täuschen. Für die größten Überraschungen sorgt eben immer noch der Fußball.

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