Wasser ist in der Regel farblos und durchsichtig, egal ob gefroren oder nicht. Verwandelt es sich in Schnee, wirkt es jedoch weiß. Ein Experte erklärt, warum das so ist – und was diese Farbe mit dem Klima auf der Erde zu tun hat.

Stuttgart - Wenn im Winter dicke Flocken vom Himmel fallen und alles von einer weißen Schneeschicht bedeckt ist, dann scheinen Straßen, Autos und Häuser wie mit Zuckerguss überzogen zu sein. Aber warum hat Schnee eigentlich diese Farbe – obwohl er nichts anderes als gefrorenes Wasser ist und daher durchsichtig sein müsste?

 

Tatsächlich sind die winzigen Eiskristalle, aus denen der Schnee besteht, transparent. Aber durch die Art und Weise, wie Schneeflocken das einfallende Licht streuen, nimmt das Auge den Schnee als weiß wahr. Der Grund: Schneeflocken haben eine komplizierte Struktur, meist erscheinen sie in Form von sechseckig verzweigten Sternen, Plättchen oder Prismen.

„Schneeflocken landen, wie sie fallen – sie landen unsortiert am Boden, und somit ist die Schneedecke im Grunde nichts anderes als ein wildes Durcheinander von Formen“, erklärt der Tübinger Juniorprofessor, Glaziologe und Geophysiker Reinhard Drews. „Dadurch ergibt sich eine Vielzahl von gegeneinander verdrehten und verkippten Oberflächen, die das Licht in unterschiedliche Richtungen zurückwerfen.“ Der Geophysiker vergleicht diesen Effekt mit der Reflexion durch Millionen von winzig kleinen Spiegeln.

Für das Auge ist Weiß eine Mischung aus allen Farben

Fällt Licht auf einen einzelnen Schneekristall, so wird es an seiner Oberfläche reflektiert und ändert die Richtung. Je mehr Schneekristalle es gibt, desto effektiver ist die Lichtstreuung. Nur wenig Strahlung wird in Form von Wärme absorbiert. „Was wir dadurch sehen, ist eine Überlagerung aller von der Sonne eingestrahlten Farben – und das nehmen wir als Weiß wahr“, so Drews. „Denn für das Auge ist Weiß eine Mischung aus allen Farben.“

Bei einem Schaumbad erleben wir übrigens einen ganz ähnlichen Effekt: Auch der Schaum in der Badewanne zum Beispiel sieht weiß aus, weil das Licht in ihm millionenfach gebrochen wird.

In der Natur gibt es kaum eine Oberfläche, die mehr sichtbares Licht reflektiert als frisch gefallener Schnee. „Deshalb bekommt man beim Skifahren schnell einen Sonnenbrand und braucht bei Schnee oft eine Sonnenbrille“, sagt Reinhard Drews. Neuschnee wirft bis zu 95 Prozent des Sonnenlichts zurück, und nur etwa fünf Prozent werden absorbiert. Bei älterem Schnee, der schon schmilzt, liegt die Reflexionsstrahlung nur noch bei etwa 50 Prozent. Dieses Reflexionsvermögen berechnen Wissenschaftler mit der Maßeinheit Albedo, benannt nach dem lateinischen „albus“ für „weiß“. Je heller ein Körper ist, desto größer ist die Albedo. Der Wert liegt bei Neuschnee zum Beispiel bei 0,9, in der Wüste bei 0,3 und bei Asphalt bei 0,15. Auch altes Eis hat eine schwächere Reflexionskraft als neues.

Der Schnee ist in den vergangenen Jahren immer dunkler geworden

Durch Ruß und Abgase in der Luft ist der Schnee in den vergangenen Jahrzehnten immer grauer geworden – sogar in abgelegenen Regionen der Alpen oder auch in Grönland. „Das hat Folgen für das weltweite Klima“, erklärt Reinhard Drews. „Denn Ruß oder Staub verringern die Reflexionskraft des Schnees, und das beschleunigt wiederum die Schneeschmelze. Und wenn wenig oder gar kein Schnee liegt, heizt sich die Erdoberfläche stärker auf.“

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Experten zufolge hat die verminderte Rückstrahlkraft des Schnees ins All durch Rußpartikel so bereits messbar zur globalen Erwärmung beigetragen.