Friedlicher als die Armenier es momentan tun, kann man nicht für Demokratie kämpfen. Diana Chobanyan (26) ist eine der Demonstrantinnen, die seit drei Wochen mit dabei ist. Warum?

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Seit drei Wochen gehen in Armenien die Menschen friedlich auf die Straße, um gegen Korruption und für ein demokratisches System zu demonstrieren. Nachdem am Dienstag die Wahl des Protestführers Nicol Paschinjan zum Ministerpräsidenten an den Gegenstimmen der regierenden Republikanischen Partei gescheitert ist, gingen die Proteste am Mittwoch weiter. Die Umwelt- und Frauenaktivisten Diana Chobanyan (26) ist von Anfang an dabei.

 
Frau Chobanyan, sind Sie enttäuscht über den Ausgang der Wahl vom Dienstag?
Sehr. Aber es war absehbar, dass die Republikanische Partei die Macht nicht abgibt.
Wie war heute die Stimmung auf den Straßen in Jerewan?
Es herrscht eine sehr positive Stimmung, die Menschen sind freundlich, die Proteste werden jeden Tag kreativer. Jeden Abend diskutieren wir auf dem Platz der Republik, was wir am nächsten Tag tun. Niemand gibt Parolen aus. Nico Paschinjan sagt eine Uhrzeit und dann reden wir miteinander. Noch nie war der Protest so bunt.
Wer demonstriert?
Ganz viele voneinander unabhängige Gruppe. Ich erinnere mich an keine Protest, der so breit aufgestellt war. Es kommen Rentner, Studenten, Eltern mit Kindern, die sich alle eigene Formen des Protestes ausdenken. Gerade habe ich ein Foto von einem Baby gesehen. Darauf hat jemand geschrieben: Ich bin im Streik, ich trinke keine Milch mehr.
Woher nehmen die Menschen die Energie?
Sie haben genug davon, wie die Republikanische Partei ihre Macht missbraucht hat. Alle haben nur auf einen Anlass gewartet, gemeinsam aufzustehen. Wir alle wollen unser Land demokratisch machen. Gestern abend waren mehr als 200 000 Menschen auf dem Platz des Republik.
Wie lange werden Sie durchhalten?
Das hängt, davon ab, wann die Republikanische Partei die Macht abgibt und wie sie sich am 8. Mai bei der nächsten Abstimmung verhält. Der Protest ebbt nicht ab. Im Gegenteil: er wird jeden Tag größer. Heute streikt auch das Personal am Flughafen. Aus dem kleinen Gemeinde kommen Menschen in die Hauptstadt. Das wird so lange gehen, bis die Republikanische Partei abtritt.
Haben Sie Angst, dass es doch zu Gewaltaktionen kommen wird?
Nicht durch die Demonstranten. Keine einzige Fensterscheibe ist bisher zu Bruch gegangen. Die Straßen sind sauber. Die Gewalt ist von der Polizei ausgegangen.