Starmix ist einst mit Küchenmaschinen a la Thermomix reich geworden, später fast Pleite gegangen – und schließlich auf wundersame Weise gerettet worden. Jetzt hat die mittlerweile mit Industriestaubsaugern und Händetrocknern erfolgreiche Firma einen neuen, hochmodernen Sitz.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Ebersbach - Roman Gorovoy, 36, führt sichtlich stolz durch sein neues Reich im Industriegebiet in Ebersbach an der Fils. Dort, in einem früheren Fabrik- und Lagerhallenkomplex, hat sich der Chef des international renommierten Industriestaubsauger- und Händetrocknerherstellers Starmix neu angesiedelt. Und wo die Besucher am früheren Standort im benachbarten Reichenbach (Kreis Esslingen) der eher morbide Charme eines schwer in die Jahre gekommenen Domizils umfing, erscheint die neue Umgebung hochmodern.

 

Während im Erdgeschoss produziert wird und sich in einem High-Tech-Hochregallager die Produkte stapeln, ist für die Verwaltung unter dem Dach ein 80 Arbeitsplätze fassender Open-Space-Bereich eingerichtet worden mit Café-Bar und Lounge – und ohne jede Wand zwischen den Büroeinheiten. Auch der Chef selbst sitzt direkt bei seinen Leuten. „Wir brauchen diese offene Kultur“, sagt er und versteht den Umzug als Signal an seine Mannschaft, sich neuen Arbeitsweisen zu öffnen und noch schneller und flexibler zu werden.

„Wer nicht kämpft, hat schon verloren“

Denn der Wettbewerb draußen ist hart, gerade für ein so kleines und feines Unternehmen wie Starmix, das sich mit Weltfirmen wie Kärcher und Dyson messen muss. Irgendwo hat Gorovoy einen Spruch an die Wand drucken lassen, der dem Dichter Bertolt Brecht zugeschrieben wird: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Das passt gut zum Selbstverständnis des Unternehmenschefs, der Starmix kurz vor der Pleite übernommen hatte. Damals, vor 12, 13 Jahren, ist er in das Management des Reichenbacher Traditionsbetriebs eingestiegen, er, ein junger Kerl von gerade mal 24 Jahren, gebürtiger Russe, der sich beim Studium in Salem mit dem Sohn der Besitzerfamilie angefreundet hatte.

Starmix schien die besten Zeiten hinter sich zu haben. In den 1960er Jahren war das Unternehmen Dank seiner Kultküchenmaschinen zu großem Erfolg gekommen. Doch jäh dann auch der Absturz, weil die Konkurrenz zu groß und die eigene Produktion zu teuer geworden war. Nur 100 von 600 Mitarbeitern waren übrig geblieben; die Banken drohten, vollends den Geldhahn zuzudrehen.

„Made in Germany, made vor you“

Längst aber ist Starmix wieder auf dem aufsteigenden Ast. 43 Millionen Euro Umsatz haben rund 200 Mitarbeiter zuletzt wieder gemacht, bei jährlich zweistelligen Wachstumsraten. Innovative Industriestaubsauger und ein freches Marketingkonzept mit persönlicher Ansprache waren die Garanten dafür. „Made in Germany, made for you“, lautet der Slogan. Und während Roman Gorovoy in den ersten Jahren vor allem und ganz bewusst in die Produkte statt in Steine investierte, folgte jetzt nach rund zweijähriger Vorplanung der nächste Schritt – der Umzug in den Neubau nach Ebersbach. Und die bisher in Kirchheim/Teck ansässige Kehrmaschinen-Tochter Haaga ist gleich mit untergekommen am neuen Standort.

„Der Schritt ist uns schwer gefallen“, sagt der Firmenbesitzer Gorovoy. Reichenbach war schließlich jahrzehntelang die „Heimat“. Dabei ist es keine Seltenheit, dass Unternehmen den Standort wechseln. Die aktuellste Studie der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) zu dem Thema belegt, dass zwischen 2013 und 2016 jede siebte im Handelsregister eingetragene Firma „mindestens einmal umgezogen ist“, wie es in der Expertise heißt. Das ist eine erstaunliche Zahl, wenngleich die Verlagerungen im Vergleich zu den Jahren davor tendenziell etwas zurückgegangen sind. Pro Jahr suchen sich im Ballungsraum am Neckar aber noch immer rund 2350 Firmen einen neuen Standort.

Firmenumzüge sind an der Tagesordnung

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Region Stuttgart verfolgt in diesem Zusammenhang generell das Ziel, „Firmen am Ort zu halten“, wie der Sprecher Helmuth Haag sagt. Falls dies nicht gelinge, wenigstens in der Region. Und falls auch das nicht möglich ist, „bevorzugen wir einen Umzug in die nähere Umgebung, weil uns so ein Teil der Wertschöpfung über Partner- und Lieferantenbeziehungen erhalten bleibt“, so Haag. Denn unter dem Strich hat die Region Stuttgart in den vergangenen Jahren mehr Firmen verloren als gewonnen. Ein Minus von 39 ist zu verzeichnen – wobei der Aderlass besonders stark Stuttgart betrifft. Kreise wie Göppingen, Esslingen und Rems-Murr hingegen hatten einen „positiven Saldo“, so die IHK-Analyse.

Ebersbachs Bürgermeister Eberhard Keller zeigt sich jedenfalls glücklich angesichts des Zuwachses, nachdem die rund 15 500 Einwohner zählende Gemeinde in der Vergangenheit immer wieder auch Firmen ziehen lassen musste. „Wir freuen uns, dass sich ein Traditionsunternehmen für den Standort Ebersbach entschieden hat“, sagt Keller, der die gute Entwicklung des Gewerbeparks Haller, wo Starmix residiert, herausstreicht. Weitere Hoffnungen der Stadt ruhen auf dem geplanten Gewerbepark Fils. „Wir tun viel, um Unternehmen und ihren Mitarbeitern einen attraktiven Standort anzubieten“, so der Rathauschef. Sein Reichenbacher Kollege Bernhard Richter bedauert derweil den Abgang dieses „bedeutsamen Unternehmens“, wie er sagt: „Wir lassen Starmix ungern ziehen.“ Es habe ihn doch immer ein wenig stolz gemacht, selbst in Hotels am anderen Ende der Welt auf deren Händetrockner zu treffen. Für die Gemeinde bietet sich andererseits nun die Chance einer innerörtlichen Sanierung. Dort, wo heute noch die alten Fabrikgebäude dominieren, könnte alsbald ein neues Wohnquartier entstehen.

Modernisierung nicht nur bei den Räumen

Bei Starmix selbst hat übrigens in gewisser Weise der Zufall eine Rolle bei der Wahl des neuen Sitzes gespielt. Denn in Ebersbach hatte das Unternehmen schon Lagerräume belegt. Und als weitere Flächen im Angebot waren, hat Roman Gorovoy nach intensiver Überlegung zugeschlagen. Da Räume auch das Denken prägen, erhofft sich der Firmenchef noch einmal einen Modernisierungsschub. Er selbst hat in den vergangenen Jahren viel Erfahrung gesammelt beim parallelen Aufbau des einen oder anderen Start-Up-Unternehmens. Seine Lehre daraus: „Wir müssen heute bereit sein, viel häufiger Dinge auszuprobieren.“