Nicht nur während des Lockdowns, vor allem auch in der Weihnachtszeit sind Postbot:innen eine verlässliche Konstante in unserem Leben. Das Tor zur Außenwelt, das ein klein wenig Normalität aufrechterhält. Dafür will unsere Autorin einfach mal "Danke" sagen.

Stuttgart – Ich sehe das gelbe Postauto bereits aus der Ferne. In mir ist Vorfreude aber auch die Angst, verurteilt zu werden – für meine dritte Bestellung in diesem Monat. Ist vielleicht ein Nachbar in Sicht, der mein Konsumverhalten verurteilen könnte? Egal. „Covid made me do it“.

 

Mit cooler Miene sammle ich mein Serotonin-Paket im Treppenhaus ein. Ich rufe ein „Danke“ nach unten, da ist die Türe bereits ins Schloss gefallen.

Liebe Postbot:innen, ihr seid meine Partner im Konsumcrime – ich grüße nett, ihr urteilt nicht, das hoffe ich zumindest.

Als "Onlinebedarf" getarnte Sextoys...

Ihr seht uns in den unterschiedlichsten Verfassungen, ob wachgeklingelt an einem grauen Montagmorgen, mit nassen Haaren frisch aus der Dusche oder gerade auf dem Sprung zwischen Tür und Angel. Außerdem habt ihr den ultimativen Einblick in fremde Wohnungen, kennt die heruntergekommenen Hausflure der Stadt, die Beef-Jerky-Sucht des Nachbarn. 

Postbot:innen kennen unsere Gesellschaft wie keine andere Berufsgruppe. Ich frage mich manchmal, ob sie ahnen, was sie da für Päckchen ausliefern. Ich kann mir vorstellen, dass Postbot:innen mit der Zeit ein hellseherisches Gespür für das entwickelt, was sie in die Briefkästen stecken.

Auch wenn ich ehrlicherweise hoffe, dass dem nicht so ist. Das als „Onlinebedarf“ getarnte Sextoy, Herzenswünsche, die Uni-Zusage – manchmal seid ihr der Schlüssel zum Glück. Aber auch Kündigungen oder Briefe von der Polizei werden von euch ausgeliefert. Dann also doch eher auch mal (Un)glücksbringer?

Was sich liebt, das neckt sich!

Wir Kund:innen können unerträglich sein, denn wir meckern gerne über euch. Unsere Post ist nie schnell genug da, liegt in einem zu weit entfernten Paketshop oder residiert beim kettenrauchenden Nachbar neben dem Dunstabzug. Dass ihr euch aber tagtäglich dem Regen, Schneesturm und Stuttgarter Straßenverkehr aussetzt, nur um uns ein Paket einzuwerfen, vergessen wir oft. Dafür erst einmal eine Entschuldigung!

Insgeheim hoffe ich, dass ihr euch über die Menschen und ihre komischen Einkäufe und Angewohnheiten amüsieren könnt. Dabei weiß ich, dass ihr eigentlich gar keine Zeit habt, darüber zu spekulieren, was in den verschickten Päckchen stecken könnte. Ich bin neidisch auf eure tägliche Schrittanzahl, nicht aber auf eure Arbeitsbedingungen. Deshalb stecke ich euch, wenn möglich, gerne ein kleines Trinkgeld zu, auch wenn das nicht alles wettmacht.

Die vergessenen Corona-Helden

Zur Zeit sieht man euch nicht so oft, da Pakete aufgrund der Pandemie meist mit Sicherheitsabstand im Treppenhaus landen. Momentan seid ihr das Tor zu einer Welt, die wir aus hygienischen Gründen nicht betreten dürfen. Ihr bringt uns das Leben ins Haus und liebe Mitmenschen ein bisschen näher – symbolisch gesprochen. Mit jedem ausgetragenen Päckchen spannt ihr einen Faden, der die Gesellschaft miteinander verbindet – ohne jegliches Infektionsrisiko, dafür einfach nur: Danke!