Der Unternehmer Christian Hirschmann hat Großes vor: gemeinsam mit einem ukrainischen Milliardär plant der Stuttgarter nicht weniger als eine Revolution im Schwimmen. Im August soll eine millionenschwere Profiliga mit allen Stars der Szene starten.

Stuttgart - Die Keimzelle der Revolution liegt etwas versteckt im Gewerbepark Sieglestraße in Stuttgart-Feuerbach. In einem schick renovierten alten Fabrikgebäude haben die Firmen von Christian Hirschmann ihren Sitz, dem 32 Jahre alten Multi-Unternehmer aus dem Digitalbereich. Von Berufs wegen ist er es gewohnt, innovativ zu denken – nicht anders verfährt er bei seiner großen Leidenschaft, dem Schwimmen: Hirschmann hat es sich zur Mission gemacht, der zur Randsportart verkümmerten Traditionsdisziplin den Weg in die Moderne zu weisen.

 

Bei der Neckarsulmer Sport-Union ist Christian Hirschmann Kopf des ersten deutschen Profiteams, den Deutschen Schwimmverband unterstützt er neuerdings als Teammanager. Und nun ist er eine der treibenden Kräfte hinter dem wohl ambitioniertesten Projekt, das es im Schwimmsport je gab: die Gründung der International Swimming League (ISL), einer millionenschweren Profiliga, die den Sport in ganz neuer Form präsentieren und den Athleten viel Geld verschaffen soll.

Die Zeit der stundenlangen Schwimmfeste ist vorbei

Gemeinsam mit dem ukrainischen Milliardär Konstantin Grigorishin, Boss des internationalen Schwimmteams Energy Standard um die Olympiasieger Chad Le Clos (Südafrika) und Sarah Sjöström (Schweden), hat Hirschmann die Pläne geschmiedet und seit Anfang 2018 vorangetrieben. Jetzt nimmt die Liga immer konkretere Formen an. In Stockholm soll im August der Auftakt erfolgen, das Finale ist kurz vor Weihnachten in Las Vegas geplant. Es könnte keinen geeigneteren Ort geben. Denn mit der ISL betritt nun auch das altehrwürdige Schwimmen die glitzernde Bühne der Unterhaltungsindustrie Profisport.

„Das setzt voraus, dass wir die Sportart verändern“, sagt Hirschmann. Mit den stundenlangen Schwimmfesten klassischer Prägung werden die kompakten, auf Unterhaltung getrimmten 14 ISL-Meetings nicht viel gemein haben. Es soll nicht nur Showeffekte und Mitmachaktionen fürs Publikum geben, sondern auch neue Formate. Verfolgungsrennen etwa oder regelmäßige Zwischensprints bei längeren Strecken – alles, was dabei hilft, mehr Spannung zu erzeugen.

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Die Traditionalisten mögen die Nase rümpfen, weil sich nun auch das Schwimmen der Eventisierung des Profisports anschließt. Doch was wäre die Alternative? Dass sich außerhalb von Olympischen Spielen bald gar niemand mehr interessiert? „Wenn man heute mediale Aufmerksamkeit erzielen will, braucht es einen ausgeprägten Showcharakter“, sagt Hirschmann. Es wird sogar darüber nachgedacht, auf die Zeitnahme zu verzichten. Das Wichtigste sei schließlich, wer als Erster anschlägt und Punkte für sein Team sammelt: „Im Fußball interessiert es auch keinen, mit welcher Geschwindigkeit der Ball ins Tor fliegt. Hauptsache, er ist drin.“

Unter den Schwimmern herrscht Goldgräberstimmung

Der Skepsis vieler Trainer und dem Protest des Weltverbands Fina, der um die Bedeutung seiner eigenen Veranstaltungen fürchtet, steht die Goldgräberstimmung der Athleten gegenüber. Sie wittern die Chance, dass sich ihre jahrelange Schinderei endlich auch finanziell auszahlt. „Von den 200 Topschwimmern auf der Welt haben wir bereits 150 im Boot“, berichtet Hirschmann. Darunter alle Superstars wie die Ungarin Katinka Hosszu, der Brite Adam Peaty oder Caeleb Dressel aus den USA. Dank Sponsoren und Fernsehgeldern ist die Liga zum Auftakt mit rund 4,6 Millionen Euro dotiert, mindestens die Hälfte wird an die Athleten ausgeschüttet. Die erfolgreichsten können bis zu 200 000 verdienen. Zum Vergleich: ein Olympiasieg wird in Deutschland mit 20 000 honoriert.

Im ersten Jahr ermitteln jeweils sechs Teams aus Europa und den USA den Sieger, nach Olympia 2020 soll die Liga auf Asien und Australien ausgeweitet werden. Es sind keine Vereine, sondern reine Proficlubs, hinter denen Wirtschaftsunternehmen stehen. Neben London, Rom, Marseille, Budapest und Grigorishins Energy-Standard-Team mit Sitz in Belek gehört auch Stuttgart zu den Standorten: mit dem Oneflow Aquatics Club von Christian Hirschmann. Von Februar an dürfen alle Teams ihre Kader zusammenstellen, zwölf Frauen und zwölf Männer. Die Höhe der Gehälter ist von der Liga vorgegeben.

Nach internationalen Topschwimmern hält auch Hirschmann Ausschau – den Großteil der Plätze aber will er mit deutschen Schwimmern besetzen. Es soll nicht der einzige Beitrag sein, den Schwimmsport wieder erfolgreicher zu machen. Zum ISL-Konzept gehört auch, dass Gelder an die Heimatvereine der Athleten fließen und damit die auch die Basis unterstützen.