In Stuttgart müssen wegen der großen Nachfrage wieder G-9-Gymnasien Schüler abweisen. Nicht so überlaufen sind hingegen stark leistungsbetonte Profile – etwa bilinguale Angebote oder der Start mit gleich zwei Fremdsprachen in Klasse fünf.

Stuttgart - Die Briefe mit den Bestätigungen für die Schulanmeldungen sind verschickt. Martin Dupper ist froh, dass diese Prozedur vorbei ist. Denn der Schulleiter des Friedrich-Eugens-Gymnasiums (FEG) im Westen musste fast 50 Kindern absagen. Mit 137 Bewerbern ist seine Schule Spitzenreiter. Doch für so viele Fünftklässler ist am FEG kein Platz – bei drei Eingangsklassen. Doch auch andere Gymnasien mussten wieder Schüler abweisen, darunter erneut auch G9-Gymnasien. „Wir gehen weiter davon aus, dass wir im Bereich Oberer Neckar/Sillenbuch und in der Innenstadt eine Unterversorgung mit Gymnasialplätzen von mindestens vier Zügen haben“, sagt Karin Korn, die Chefin des Schulverwaltungsamts. „Es muss damit gerechnet werden, dass wieder an allen Schulen sehr volle Klassen gebildet werden.“ Zumal noch unklar sei, wie viele Kinder aus Vorbereitungsklassen, Wiederholer oder Schüler, die an Privatschulen keinen Platz gefunden hätten, im Herbst dazustoßen werden.

 

„Man kann es nicht vorhersehen, wie die Eltern sich entscheiden“, sagt Dupper. Er versichert: „Wir kümmern uns schon darum, dass alle ein Plätzchen finden.“ Doch die Profile der Gymnasien seien sehr unterschiedlich. Am FEG komme das „sehr bodenständige naturwissenschaftliche Profil“ gut an. Eltern sagten, sie schätzten vor allem die Atmosphäre an der Schule, so Dupper. Die Kollegen identifizierten sich stark mit ihrem Gymnasium. Für viele Familien sei wichtig: „Das Profil der Schule erscheint beherrschbar. Die Leute sind froh, wenn man als Schulleiter nicht ständig von der Leistung redet, sondern von der Machbarkeit.“ Möglichst in angstfreier Atmosphäre. Und: „Wir sind seit diesem Jahr offene Ganztagsschule, das ist für die Eltern attraktiv.“

Gymnasium lehnt Außenstelle ab

Das Angebot der Stadt, in der früheren Friedensschule eine Außenstelle einzurichten, lehnte das FEG ab. „Wir hätten fünf Züge aufnehmen können“, räumt Dupper ein. „Aber das würde den Charakter der Schule verändern.“ Eine Außenstelle würde das Kollegium auseinanderreißen, das wolle man nicht. „Wir sehen ja auch, dass an anderen Schulen noch Platz ist.“

Das gilt für das Wilhelms-Gymnasium in Degerloch nicht. Es hatte 114 Bewerber. Aber die passen nicht in drei Eingangsklassen. Das WG bietet als einziges Gymnasium in Stuttgart sowohl G9 als auch G8 an. Eine volle G8-Klasse bilde man mit Kindern aus der direkten Nachbarschaft, die man als Stadtteilschule auch bedienen wolle, so Schulleiter Peter Hoffmann. Also musste er 24 G9-Interessenten absagen. Kriterien seien Geschwisterkinder und Wohnortnähe. „Wir wollten ja in der Albschule Räume nutzen“, so Hoffmann. Doch diesen Plan hatte der Gemeinderat durchkreuzt, indem er die Fusion der beiden Degerlocher Grundschulen an der Filderschule ablehnte. Gecancelt wurde auch der Plan, im nächsten Schuljahr eine Außenklasse des WG in der Filderschule unterzubringen: Wegen Umbauarbeiten sei kein Platz.

Viele Eltern ziehen das G9 dem G8 vor

Die vom WG abgewiesenen Schüler seien teils auf andere G8 ausgewichen, ein paar auch auf das Zeppelin-Gymnasium im Osten. Dort wird Schulleiter Holger zur Hausen bei 102 G9-Anmeldungen vier statt drei Eingangsklassen bilden. So musste er nicht zwölf Kinder wegschicken, sondern konnte weitere aufnehmen – auch welche, die im Leibniz-Gymnasium in Feuerbach keinen Platz mehr fanden, aber kein G8 wollten. Nach wie vor ziehen viele Eltern das G9 vor, um Kindern mehr Freiräume zu bieten.

Nicht mehr so stark nachgefragt scheinen leistungsbetonte Profile zu sein. So hatten sich für die drei Eingangsklassen am Dillmann-Gymnasium im Westen erst nur 68 Bewerber gemeldet, inzwischen, nach Ausgleichsmaßnamen, meldet Schulleiter Manfred Birk „drei volle Klassen“ mit 87 Schülern. „Für den bilingualen Zug mit Englisch sind natürlich auch gute Leistungen erforderlich“, räumt Birk ein. Auch für den Zug, der in Klasse fünf mit Englisch und Latein beginnt, sollten Kinder lernbereit sein. Aber Birk sagt auch: „Die Ängste vor G8 sind unbegründet – zumindest bei den Kindern, die eine Gymnasialempfehlung haben.“ Dass weiterführende Schulen künftig wieder Einblick in die Leistungen der Viertklässler haben sollen, begrüßt er.

Hochbegabtenzug mit stabiler Nachfrage

Auch am Königin-Katharina-Stift, das ebenfalls einen bilingualen Zug anbietet, aber erst ab Klasse acht, mit Italienisch und dem Ziel eines deutsch-italienischen Doppelabis, hatten sich für die beiden Regelklassen erst nur 48 Kinder angemeldet, mittlerweile seien es 58, so Schulleiter Franz Baur: „Wir sind voll.“ Dazu kommen noch 20 Kinder im Hochbegabtenzug. Damit sei man zufrieden, ähnlich viele sind es im Karls-Gymnasium, das diesen ebenfalls anbietet. „Beide Profile laufen, wir wollen auch beide weiterhin stärken“, so Baur.

Die wenigsten Bewerber hat das Gymnasium der Jörg-Ratgeb-Schule in Neugereut: 44 Kinder – trotz Angebot des formalen Ganztags. Doch den wolle nur eine Handvoll, so Schulleiterin Brigitte Liebelt. Gymnasialeltern zögen Hausaufgabenbetreuung und Förderstunden vor. Durch das Kunstprofil hätten die Kinder einen Nachmittag mehr. Die frühere Gesamtschule werde primär als Stadtteilschule gesehen.