Es ist verflixt: Einerseits wünschen sich viele Menschen einen Supermarkt gleich ums Eck. Andererseits haben gerade kleine Dorfläden mangels Umsatz Mühe, zu überleben. Ein Beispiel aus Leinfelden-Echterdingen.

Leinfelden-Echterdingen - Seitdem der Traditionsbetrieb Steck seine Türen im Ortsteil Stetten für immer geschlossen hat, gibt es auf der Weidacher Höhe nicht einmal mehr einen Bäcker. Der Cap-Markt an der Jahn-straße ist der einzige Lebensmittelladen in dem Quartier und deshalb gerade für ältere Menschen eine wichtige Anlaufstelle. Insbesondere dann, wenn sie nicht mehr gut zu Fuß sind und nicht mit dem Auto zum nächsten großen Supermarkt fahren können. Doch auch dieser letzte Laden ist nun in Gefahr.

 

Das Einkaufsverhalten der Menschen habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert, trotzdem habe der Stettener Laden laut Angelika Goldak immer noch „eine wichtige Marktplatzfunktion“. Die Leute können sich dort treffen und ein Schwätzchen halten, sagt die Wirtschaftsförderin der Stadt Leinfelden-Echterdingen. Die im Cap-Markt angebotene Ware kommt vom Handelsriesen Edeka und wird ergänzt durch frisches Obst und Gemüse von Bauern ums Eck.

Auch Menschen, die gern Brot und Fleisch aus der Region essen oder auf Bio-Lebensmittel mit „sehr guter Qualität“, wie Goldak sagt, Wert legen, kommen in dem Stettener Laden auf ihre Kosten. Nicht zuletzt bietet der Markt für eine Handvoll behinderter Menschen Arbeitsplätze. Die drei Buchstaben Cap stehen für Handicap (siehe auch Info-Kasten). „Es ist eine gute Sache, dass es einen solchen, inklusiven Betrieb in Leinfelden-Echterdingen gibt“, sagt Angelika Goldak.

Der Markt schloss einst eine Lücke

Dennoch kaufen offenbar zu wenige Menschen in dem Laden auf der Weidacher Höhe ein. Der Umsatz in dem Laden, der nicht zwingend Gewinn machen muss, sei zurückgegangen, ist im Flecken zu hören. Hinzu seien größere Investitionsanforderungen gekommen. Träger des Stettener Marktes sowie weiterer Cap-Märkte in Neuhausen, Kirchheim-Ötlingen und Notzingen ist der Reha-Verein zum Aufbau sozialer Psychiatrie im Landkreis Esslingen. Betreiber ist die Filderwerkstatt in Nellingen als eine Einrichtung des Reha-Vereins.

Der Reha-Verein will sich trotz mehrmaligem Nachfragen nicht äußern. Es sickert dennoch durch, dass unklar ist, ob die vier Läden weitergeführt werden können oder abgegeben werden müssen. Es werde fieberhaft nach einer Lösung gesucht, heißt es. Schließlich sei man daran interessiert, dass die Menschen, die in den Läden angestellt sind, ihre Arbeitsplätze behalten. Es werde nach einer neuen Trägerkonstellation gesucht, um das inklusive Angebot fortführen zu können.

Der Laden in Stetten wurde am 21. September 2001 eröffnet. Er schloss damals eine Lücke. Denn zuvor hatte der Discounter Lidl beschlossen, seine Filiale von der Jahnstraße an die Ecke Sielminger Straße/Hauptstraße zu verlegen. In Leinfelden-Echterdingen gab es die Befürchtung, dass ältere Menschen, die auf Läden in der Nähe angewiesen sind, künftig keine Einkaufsmöglichkeit mehr haben. Die Stadt suchte damals nach einem neuen Betreiber für den Laden, ist allerdings bei herkömmlichen Betreibern nicht weitergekommen. Denn die etwa 470 Quadratmeter umfassenden Räume waren für die großen Ketten zu klein.

Klaus Korschinek von der Nellinger Filderwerkstatt hatte bereits bei der Eröffnung des Lebensmittelgeschäfts vor mehr als 17 Jahren gesagt: „Wir sind darauf angewiesen, dass die Menschen das Angebot auch nutzen.“ Wenn die Leute nur ab und an Butter oder Eier holen, werde es schwierig, zu überleben.

Hoffnung auf einen Neuanfang

Der Reha-Verein erhofft sich für einen Neuanfang finanzielle Unterstützung der jeweiligen Kommunen, ist ebenfalls zu hören. Das bestätigt Oberbürgermeister Roland Klenk auf Nachfrage unserer Zeitung. „Im Gegenzug soll der Bestand der vier Cap-Märkte für mindestens fünf Jahre garantiert werden“, sagt er.

Ein Vertreter des Vereins habe das Gespräch mit der Verwaltungsspitze von Leinfelden-Echterdingen gesucht. Er habe die Stadt informiert, dass sie ein neues Abrechnungssystem in ihren Märkten einführen müssen. Das aber könne der Verein finanziell nicht stemmen. Aus diesem und auch anderen Gründen überlege der Reha-Verein nun, seine vier Märkte auf einen anderen Träger – einen Verein für Inklusion – zu übertragen.

Für die Stadt Leinfelden-Echterdingen ist eine einmalige Finanzspritze in Höhe von 150 000 Euro im Gespräch, erklärt Klenk. Dazu gibt es seit Kurzem ein erstes positives Signal aus der Kommunalpolitik. Der Oberbürgermeister hat die Fraktionsvorsitzenden über die Situation der Cap-Märkte informiert. Diese haben signalisiert, die Nahversorgung auf der Weidacher Höhe sichern zu wollen. Noch ist aber nichts beschlossen.

Auch Klenk könnte sich für die finanzielle Unterstützung erwärmen. Der Rathaus-Chef macht eine Zusage der Stadt aber von einem funktionierenden Wirtschaftsplan abhängig. Der neue Träger müsse „habhafte Zahlen“ vorlegen.