Wer Mode abseits der uniformen Ketten wie Zara oder Hennes und Mauritz sucht, kann in Stuttgarts Innenstadt fündig werden. In der Nähe der Königstraße haben sich fünf junge Mode-Läden angesiedelt.

Stuttgart - Wenn man ehrlich ist, muss man neidlos anerkennen: In Berlin lässt es sich am besten bummeln und einkaufen. Vor allem, wenn man abseits der uniformen Shoppingmeilen unterwegs sein will. Die großen Ketten wie Hennes und Mauritz, Zara, Esprit und Adidas gibt es bereits in jeder mittelgroßen Stadt. Wer auf der Suche ist nach Läden, die ausgefallene, originelle, verspielte oder auch durchaus klassische Klamotten führen, muss in Berlin nicht lange suchen. In Friedrichshain, Kreuzberg und im Prenzlauer Berg gibt es ganze Straßenzüge davon.

 

Aber auch in Stuttgart hat sich etwas getan. Gab es bisher, verteilt auf die ganze Stadt, einzelne kleine Geschäfte, die aus der Masse hervorstechen wollten, ist rund um die Breite Straße etwas gewachsen, was man wohlwollend als Mini-Berlin in Stuttgart bezeichnen könnte.

Cyroline startet als kleiner Second-Hand-Laden

Mit dabei ist zum Beispiel das Geschäft Cyroline, das auch mit zwei Filialen in Berlin vertreten ist. Vor 16 Jahren ist Cyroline als kleiner Second-Hand-Laden in Lübeck gestartet, inzwischen gibt es in einigen norddeutschen Städten Ableger. Südlich von Köln ist Stuttgart der einzige Standort. „Viele sind ganz überrascht und freuen sich, wenn sie unseren Laden sehen, weil sie uns von woanders kennen“, sagt die Filialleiterin Katharina Teufel.

Verkauft werden Männer- und Frauenbekleidung. Etwa 70 Prozent des Angebots besteht aus Eigenmarken. „Alle unsere Artikel, auch die von Fremdmarken, werden fair, umweltfreundlich und innerhalb der EU produziert“, sagt Katharina Teufel. „Manche Leute schauen mich an wie ein Fahrrad, wenn ich das sage.“ Bei diesen Attributen denken einige sofort an langweile, unförmige Jutesäcke. Im wahrsten Sinne Recyclingprodukte sind die Röcke, die aus alten Trachtenkleidern genäht worden sind. „Jedes ist ein Einzelteil“, sagt Katharina Teufel.

Schräg gegenüber hat sich Ottilie angesiedelt. Die beiden Schwestern Susanne Bölzle und Lydia Bauer aus Tübingen haben sich damit einen Lebenstraum erfüllt. Für den Frauenmodenladen haben die zwei Inhaberinnen ihre Jobs im pädagogischen Bereich aufgegeben und sich ins Abenteuer gestürzt – mit Hilfe der guten Beratung für Existenzgründer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart, wie Susanne Bölzle betont.

Mode soll Lebensfreude widerspiegeln

„Wir wollen, dass Mode Lebensfreude widerspiegelt“, sagt Susanne Bölzle, die darauf achtet, dass die Produkte unter fairen und ökologischen Bedingungen hergestellt worden sind. Ins Auge fällt das österreichische Label Milch, das aus klassischen Wiener Männeranzügen Frauensachen näht. „Neulich kam eine Frau, die hier ein Kleid für ein Fest gekauft hat“, erzählt Susanne Bölzle. „Sie hat gesagt, dass sie sich noch nie so schön gefühlt hat wie an dem Tag der Feier.“ So etwas freut natürlich die Inhaberin, die ganz überrascht war, wie nett sie und ihre Schwester von den umliegenden Läden aufgenommen worden ist. „Die Mitarbeiter von Blutsgeschwister haben uns immer wieder besucht, als wir noch renoviert haben – und bei der Langen Einkaufsnacht im Frühling haben wir uns alle hier zusammengetan.“ Denn so nah die Breite Straße auch an der Königstraße liegt: Vielen Passanten ist die Ecke unbekannt.

Zum Mini-Berlin zählen noch Blutsgeschwister, Geschwisterliebe und Vivaz, insgesamt sind es fünf Geschäfte. Blutsgeschwister und Geschwisterliebe werden oft miteinander verwechselt, obwohl sie nichts, beziehungsweise nichts mehr miteinander zu tun haben. Von 2005 bis 2007 haben sie sich einen Laden geteilt, jetzt sind sie gerade mal zehn Meter voneinander entfernt. Die Stuttgarter Modemarke Blutsgeschwister ist inzwischen so etabliert, dass einige Schweizer Fans zwei Mal im Jahr für einen Großeinkauf anreisen.

Frank Zentler von Geschwisterliebe schätzt die Gemeinsamkeiten in dem Quartier: „Wir profitieren davon, dass in unserem Umfeld andere interessante Läden sind. Denn eigentlich sind die Mieten überall so hoch, dass man fast nur noch die Flagship Stores der großen Marken oder Spielcasinos sieht.“ Zentler bedauert, dass es nicht wie in München oder Berlin Ecken etwas außerhalb der Eins-A-Lage gibt, die nicht ganz so teuer sind.

Liebevolles Verhältnis unter den fünf Läden

Ein weiterer Laden im Bund ist Vivaz, ein Ableger der Boutique in der Tübinger Straße. Das Geschäft von Mona-Fee Thiessat liegt zwar nicht an der Breiten Straße, fühlt sich aber trotzdem dazugehörig. „Obwohl wir schon fast ein Jahr hier sind, kommt immer noch Laufkundschaft vorbei, die total überrascht ist“, sagt Mona-Fee Thiessat. Von September an wird der Laden nicht mehr Vivaz heißen, sondern LUV-Store. Luv ist eine neuenglische, umgangssprachliche Abkürzung für Liebe und soll nach Angaben der Inhaberin für die liebenswerten Klamotten und die liebevolle Beratung stehen.

Tatsächlich liebevoll ist das Verhältnis unter den fünf Läden. So ist es für alle ganz normal, dass sie ihren Kunden auch mal empfehlen, zur Konkurrenz zu gehen. „Wir haben keine Schuhe“, sagt Susanne Bölzle von Ottilie, „deshalb schicke ich die Frauen dann ins Vivaz. Und wer Kindersachen sucht, dem lege ich Blutsgeschwister ans Herz.“