Der Nächste, bitte! Die Württembergische als Eigentümer ersetzt Gerber-Geschäftsführer Peter Fiegle durch die Agentur IPH. Das Gerber sucht nach seiner Eröffnung im Jahr 2014 weiter nach einem Erfolgskonzept.

Stuttgart - Die Liste derer, die das Einkaufscenter zur Blüte führen wollten, ist lang. Gelungen ist es seit dem Start am 23. September 2014 keinem. Ob Helmut Koprian, der das Gerber vollmundig („Es wird schneller anlaufen“) eröffnete. Oder irgendwelche Agenturen, die sich redlich mühten. Keiner hatte ein Patentrezept. Zuletzt versuchte sich Peter Fiegle. Doch sein Engagement endet nun. Offiziell heißt es zur Demission: „Zum 1. Oktober werden Centermanagement und das Property-Management wieder bei der IPH Centermanagement GmbH, die seit 2015 für das Gerber tätig ist, gebündelt.“

 

Auch Fiegle, der im Krankenstand ist, wollte nach den Fehlschlägen seiner Vorgänger als Gerber-Geschäftsführer durchstarten. Als Zielgruppe hatte er die sogenannten Millennials entdeckt, Menschen, die zwischen 1985 und 2000 geboren sind. „Diese Gruppe hat die größte Abstrahlkraft“, glaubte er, „an ihr und ihrem Konsumverhalten orientieren sich die Jüngeren und die Älteren.“ Zudem sollte der „Unort“ rund um die Mall zu einem „Hotspot“ werden. Auch Centermanager Kemal Düzel, der unter Fiegle diente, hat sich inzwischen verändert. Düzel bringt seine Erfahrung seit August für Breuninger als Centermanager des Dorotheen-Quartiers ein. Düzels Zauberwort im September 2016 lautete „Service-Offensive“. Damit wollte er die durchschnittliche Marke von 25 000 Kunden täglich anheben. Der Vermietungsstand der Läden war damals noch bei 96 Prozent.

Heute heißt es dazu aus der Machtzentrale des Konzerns: „Der aktuelle Vermietungsstand im Gerber stellt sich so dar, dass die Büroflächen zu 100 Prozent und die Handelsflächen zu mehr als 90 vermietet sind.“ Konkret stehen im Obergeschoss drei Läden leer, im Erdgeschoss warten zwei Läden auf einen Mieter, und selbst im florierenden UG steht eine Fläche leer. Allerdings: Die Wohnungen im Gerber-Komplex sind alle vermietet, es gebe immer noch eine Warteliste. Der Blick zurück zeigt, wie schwer es das Gerber hat, in allen Bereichen Fuß zu fassen. Nach einem Jahr schwankten die Kundenzahlen innerhalb einer Woche extrem. Kamen am Wochenende bis zu 32 000 Kunden pro Tag, waren es beispielsweise an einem Dienstag nur 17 200. Die Folge: Schon zum ersten Geburtstag drückte die Württembergische als Investor und die neue Projektleitung IPH, die die Koprian IQ ablösten, die Reset-Taste. „Wir wollen zu dem Sortiment zurück, dass wir mal versprochen hatten“, sagte Klaus Betz, Immobilienchef der Wüstenrot & Württembergischen: „Wir wollen weniger Mainstream.“

Auch-Fluxus-Macher scheitert

Weniger Mainstream versprach auch Hannes Steim. Der Mann, der sich durch die Erfindung des Fluxus in der Calwer Straße einen Namen gemacht hatte, sollte das bislang Unmögliche schaffen: Kunden ins obere Geschoss locken. Teils mit einem eigenen Laden, teils mit Pop-up-Konzepten. Statt eines rasanten Aufschwungs gab es scheibchenweise einen Rückzug. Erst machte Steim seinen Design-Supermarkt im Obergeschoss dicht, dann zog er sich ganz zurück.

Schon damals erkannte man bei der Württembergischen die zuweilen unansehnlich anmutende Marienstraße als eine der Ursachen für den Misserfolg. Die Kritikpunkte lauteten: Mangelnde Sauberkeit und der unattraktive Mieterbesatz. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Marienstraße fristet weiter ein Schattendasein. Dabei ist der Zugang fürs Gerber bedeutsam. Über die Hälfte aller Kunden kommt über den Eingang an der Marienstraße in die Mall. Fast 40 Prozent kommen über den Zugang an der Paulinenbrücke. Nur wenige Besucher nehmen die Tür an der Sophien-/Tübinger Straße. Zuletzt ließ eine Sprecherin des Chefs im Hintergrund übermitteln: „Man sieht die Probleme der Marienstraße, aber für das Gerber zählt vor allem die Frequenz dieser Fußgängerzone und die ist sehr stark. Der Eingang an der Marienstraße ist der frequenzstärkste des Gerbers mit täglich im Durchschnitt rund 12 000 Besuchern.“

Klaus Betz, der das Projekt Gerber in seinem Konzern passioniert vertritt, gab schon 2017 auf einer Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten zu: Aufgrund der schwierigen Lage des stationären Einzelhandels würde man das Gerber heute wohl anders planen. Allerdings scheinen grundsätzliche Veränderungen in der Zukunft nicht tabu. Für Antworten diesbezüglich war Betz nicht zu erreichen.

Eine Interviewanfrage lehnte er ab. Stattdessen ließ eine Sprecherin des Gerber Centermanagements mitteilen: „Flächenumnutzungen sind im Einzelhandel generell ein Thema. Es gibt diesbezüglich allgemeine Überlegungen, aber keine konkreten Pläne.“ Weiter schreibt sie: „Im Fokus steht aktuell die geplante Umgestaltung und Aufwertung der Außenbereiche bei den Haupteingängen. So soll Rothaus an der Tübinger Straße 2020 eine größere Terrasse zur Außenbewirtschaftung bekommen. Auch am Eingang Marienstraße soll es künftig ein gastronomisches Angebot geben.“

Investiert der Eigentümer nochmal?

Damit bleiben Gerüchte, wonach das Gerber die obere Etage zu Büros umwandeln wolle, unbestätigt und undementiert. Wie auch immer: Nun scheint sich der Kreis zu schließen. Denn schon Helmut Koprian hatte zum Start gesagt: „Drei Dinge sind wichtig, die alle mit L anfangen: Lage, Lage und Lage. Wenn man die Lage nicht perfekt wählt, kann man sie nicht mehr verändern.“ Und er wusste: „Das Konzept kann man mit Millionenbeträgen verändern.“

Die Grundstücke, auf denen das Gerber steht, sind zum Teil bereits seit der Jahrhundertwende im Besitz der Württembergischen Lebensversicherung AG. In den 1990er Jahren befanden sich an der Stelle Verwaltungsgebäude. 2008 wurden die restlichen Flächen für den Bau des Gerber hinzugekauft. Das Investitionsvolumen beträgt nach Angaben der Projektentwickler rund 25o Millionen Euro. Im Februar 2011 wurde mit dem Abbruch der Gebäude auf dem Gelände begonnen. Die Arbeiten an der Baugrube haben im August 2011 angefangen.

Am 23. September 2014 wurde das Gerber im Beisein von OB Fritz Kuhn eröffnet. Damals ließ er durchblicken, dass er als Entscheidungsträger nicht so geplant hätte: „Hätte ich entscheiden müssen, wäre nicht so viel Verkaufsfläche entstanden.“ Damit meint er die Gesamtfläche (70 000 Quadratmeter) beider Einkaufscenter Gerber und Milaneo.