Ulm und Neu-Ulm bauen riesige Shopping-Center in den Innenstädten. Dass sie sich gegenseitig das Wasser abgraben werden, scheint programmiert.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Zumindest auf dem Kalender liegt die Glacis-Galerie in Neu-Ulm vorn. Diese Woche ist Spatenstich gewesen für das Einkaufszentrum am zentral gelegenen Bahnhofsgelände. 130 Millionen Euro fließen in den Bau von 25 000 Quadratmeter Handelsfläche. Von März 2015 an soll die Kundschaft strömen.

 

So weit sind sie die Investoren auf der anderen Donauseite noch nicht. Dort, am Rand der nördlichen Fußgängerzone, wird noch eine Gebäudegruppe abgerissen, um die benötigten 9000 Quadratmeter Grundfläche zu schaffen, auf denen die Sedelhöfe entstehen. Das nennt sich zwar Quartierprojekt, weil auch Wohnungen gebaut werden, im Kern handelt es sich aber auch um ein Einkaufszentrum. Handelsfläche: 18 000 Quadratmeter. Eröffnet wird 2016.

So entstehen also in der Doppelstadt mit ihren gut 180 000 Einwohnern, die bereits über reichlich Einkaufsgelegenheiten verfügen, in einer Entfernung von gerade einmal anderthalb Kilometern weitere 43 000 Quadratmeter Läden und Geschäfte. Die Stadt Ulm preist ihre Sedelhöfe als wichtigen innerstädtischen Entwicklungsschritt an, der Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg (CSU) versprach beim Spatenstich, die Glacis-Galerie werde „neue Kundenströme erschließen“, seine Stadt sei bald nicht mehr nur Hochschul-, sondern auch Einkaufsstadt.

Kritiker fragen sich, wie das genehmigt werden konnte

Derweil fragen sich Kritiker nicht nur aus dem traditionellen ortsansässigen innerstädtischen Einzelhandel, wie eine solche Massierung von Handelsflächen auf engstem Raum genehmigt werden konnte. Neue Einkaufszentren schafften grundsätzlich nicht mehr Kundschaft, bestätigt zum Beispiel das Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln. Wer Umsatz machen wolle, müsse ihn woanders abwerben, denn: „Geld kann nur einmal ausgegeben werden“, sagt eine IFH-Sprecherin.

Für die Industrie- und Handelskammern beiderseits der Donau ist klar, wer die Verlierer der Mammutprojekte sein werden, die beide Städte unbeirrt vorantreiben: die umliegenden Mittelzentren wie etwa das südlich gelegene oberschwäbische Laupheim, Giengen im Norden oder auch das bayerische Senden. Der Präsident der in Augsburg ansässigen IHK Schwaben, Andreas Kopton, mahnte vergeblich „vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ein grenzüberschreitendes Einzelhandelskonzept“ an; Neu-Ulm baue schließlich nicht nur die Glacis-Galerie, sondern revitalisiere auch das Mutschler-Center, ein Geisterkomplex, seit das Möbelhaus 2005 nach zweistelligen Millionenverlusten räumen musste. Nun will das Möbelhaus Mahler nebst weiteren Geschäften dort einziehen. Gesamtfläche: Gut 70 000 Quadratmeter. Die Neueröffnung wird ebenfalls für 2013 erwartet.

Auch vom Regionalverband gibt es keine Einwände

Die Regierung von Schwaben, übergeordnete Genehmigungsbehörde mit Sitz in Augsburg, hat gegen all das keine Bedenken. Ihre Zuständigkeit endet an der Landesgrenze. Gleiches gilt für das Regierungspräsidium Tübingen, das den Bau der Ulmer Sedelhöfe gut hieß. Einziges Gremium, das grenzüberschreitend denken und handeln müsste, ist der Regionalverband Donau-Iller. Doch auch von dort gibt es keine Einwände. Man habe die Auswirkungen beider Großprojekte geprüft und „keine erheblichen negativen Auswirkungen“ auf die Region gesehen, sagt Martin Samain, der Verbandsreferent für Siedlungsplanung und Wirtschaft. Allerdings ist das Handelsthema nie auf der Tagesordnung der Verbandsversammlung gewesen.

Im Gremium sitzen sowohl der Ulmer OB Ivo Gönner (SPD), der Ulm als florierende Verkehrsdrehscheibe im Zuge von Stuttgart 21 sieht, als auch dessen Kollege Noerenberg, der verhindern will, dass Neu-Ulm noch mehr Kaufkraft an den Nachbarn verliert. Beide Rathauschefs können sich gegenseitig schwerlich Vorwürfe für Planungen machen, die sie sich selber zubilligen. Für Otto Sälzle, den Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, steht hingegen fest, dass etwa das Regierungspräsidium Tübingen, besäße es Kontrollhoheit, beide Shopping-Center in diesem Ausmaß „nie genehmigt hätte“. Namen von Mietern, die auch tatsächlich einziehen, seien seiner Kammer derzeit nicht verlässlich bekannt.

Wer sind die Investoren?

Der Ulmer Gemeinderat hat die Planung und den Bau des Einkaufszentrums Sedelhöfe an die MAB Deutschland GmbH vergeben, ein Tochterunternehmen der holländischen Rabo Real Estate Group. Dahinter wiederum steht die Rabo Bank. In Neu-Ulm haben sich die Hamburger Unternehmensgruppe Procom und die OFB-Projektbeteiligung, Tochtergesellschaft der Hessisch-Thüringischen Landesbank Helaba, als Investoren zusammengefunden. Bauen wird das Stuttgarter Generalunternehmen BAM, Tochter der holländischen Royal BAM Group. Das Management des Shopping-Centers übernimmt der Hamburger Konzern ECE. Die MAB Deutschland investiert nach eigenen Angaben rund 130 Millionen Euro in die Ulmer Sedelhöfe. Auch die Glacis-Galerie soll 130 Millionen Euro kosten