Kubas Einwohner bekommen das Recht, ins Ausland zu reisen – eine einschneidende Reform. Das könnten Regimegegner nutzen.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Havanna, Kuba - Die kubanische Regierung öffnet ihrer Bevölkerung das Tor zur Welt. Vom heutigen Montag an dürfen die elf Millionen Einwohner des letzten kommunistischen Postens in der westlichen Welt ohne die bisherigen bürokratischen Hürden reisen. Die ungeliebte und teure Ausreiseerlaubnis „Tarjeta blanca“ (Weiße Karte) gehört der Vergangenheit an. Ab sofort reicht es aus, einen Pass zu besitzen. So weit die Theorie.

 

Doch die neuen Bestimmungen sehen diverse Einschränkungen vor. Ausgeschlossen bleiben Bürger, gegen die ein Strafverfahren anhängig ist. Auch können Gründe der „nationalen Sicherheit“ dazu führen, dass der Reisepass verweigert wird. Des Weiteren behalten sich die Behörden vor, aus „öffentlichem Interesse“ oder zur Sicherung „vitaler“ Sektoren Reisepass oder Ausreise abzulehnen. Ärzte beispielsweise dürfen offenbar unbeschränkt reisen, aber was mit Oppositionellen und Regimekritikern ist, bleibt vorerst unklar. Während daher die einen Kubaner von Reisen zu Verwandten und Besuchen ferner Länder träumen, bleiben andere skeptisch. Die regierungskritische Bloggerin Yoani Sánchez, der bisher fast zwei Dutzend Male das Verlassen ihrer Heimat untersagt wurde, will gleich am Montag einen neuen Pass beantragen. „Mein Koffer wartet in der Ecke, wird er je an Bord eines Flugzeugs kommen?“, fragte sie über Twitter.

Eine einschneidende Reform

Die Reform beschloss die Regierung in Havanna vor drei Monaten völlig überraschend. Sie kommt damit dem Verlangen der Bevölkerung nach. Die Reisefreiheit stand auf der Liste der Veränderungswünsche bei den Kubanern ganz oben. Innerhalb der vielen Reformen, die Präsident Raúl Castro seit seiner Amtsübernahme vor fünf Jahren umgesetzt hat, ist die Lockerung der Reisebestimmungen die einschneidendste. Experten bezweifeln aber, dass jetzt ein Massenexodus einsetzt. Zum einen brauchen die Kubaner für die meisten Länder der Welt ein Einreisevisum ,und bei einem Monatslohn von rund 15 Euro sind Urlaubsreisen ins Ausland unerschwinglich. Vor allem die Menschen mit Zugang zu Devisen und Verwandten im Ausland können von der Neuregelung profitieren. Den Kubanern war es auch bisher schon möglich, ins Ausland zu reisen. Nach Regierungsangaben sind seit 2000 eine halbe Million Kubaner aus persönlichen Gründen ins Ausland gereist. Gut jeder Zehnte kam nicht wieder. War es früher dem Gutdünken der Behörden überlassen, hat die Bevölkerung nun einen Rechtsanspruch aufs Reisen. „Wichtig ist das Symbolische an der Reform“, sagt Geoff Thale, Kuba-Experte am Washingtoner Büro für Lateinamerika. „Der Staat mischt sich nicht mehr in das Leben der Bevölkerung ein.“

Unklar ist, was sich die Regierung von der Neuregelung erhofft. Ist es ein Schritt in Richtung Demokratie? Oder hofft man, mehr Kubaner würden zu Gastarbeitern und dann Devisen nach Hause senden. Schon heute leben dauerhaft zwei Millionen Kubaner meist in Miami, Mexiko und Madrid. Sie überweisen jährlich zwei Milliarden Dollar in die Heimat, was erheblich zur Linderung der wirtschaftlichen Not beiträgt. Nur der Tourismus generiert ähnlich viele Devisen. Bestandteil der Neuregelung ist ebenfalls, dass die Kubaner ab sofort zwei Jahre im Ausland bleiben dürfen, ohne das Aufenthaltsrecht zu verlieren. Bisher verwirkten sie es nach elf Monaten. Die Nachfrage nach Ausreisevisa in Länder wie Mexiko hat bereits zugenommen, wo bereits jetzt zahlreiche kubanische Migranten leben. Deutschland dagegen verzeichnet noch kein höheres Interesse.