Der VfB Stuttgart hat Einspruch gegen die Spielwertung beim 1:2 beim SV Wehen Wiesbaden eingelegt. Hat der Club Aussicht auf Erfolg? Sportrechtsexperte Marius Breucker schätzt für uns die Lage ein.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Der VfB Stuttgart hat am Mittwoch Einspruch gegen die Spielwertung des 1:2 beim SV Wehen Wiesbaden eingelegt. Grund ist der Handelfmeter, den die Gastgeber in der siebten Minute der Nachspielzeit zugesprochen bekamen – nachdem sich Schiedsrichter Sascha Stegemann minutenlang mit dem Videoassistenten beraten hatte und zunächst kein Handspiel hatte erkennen können.

 

„Grund für unseren Einspruch ist, dass das Verhalten des Schiedsrichters bei der Entstehung des Siegtreffers für den SV Wehen Wiesbaden nach unserer Überzeugung einen Regelverstoß darstellt, der einen unmittelbaren Einfluss auf das Endergebnis des Spiels hatte“, begründet Sven Mislintat, der Stuttgarter Sportdirektor, die Entscheidung des Zweitligisten. Die Frage ist nun: Hat der VfB-Einspruch Aussicht auf Erfolg?

Was sagt Sascha Stegemann?

„Ich sehe eher geringe Chancen“, sagt der Stuttgarter Anwalt und Sportrechtsexperte Marius Breucker, der noch einmal präzisiert: „Es geht tatsächlich um die Frage Tatsachenentscheidung oder Regelverstoß.“ Hat Stegemann das Handspiel auch nach dem Studium aller Videobilder nicht erkannt und dennoch Elfmeter gegeben, läge unter Umständen ein Regelverstoß vor. Denn - so wohl die Argumentation des VfB - im Falle des Videostudiums muss der Schiedsrichter eine eigene Entscheidung treffen und darf sich nicht „blind“ auf die Einschätzung des Videoassistenten verlassen.

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Für einen erfolgreichen Einspruch des VfB müsste Stegemann also wohl eingestehen, das Handspiel trotz Videostudiums nicht gesehen zu haben – was eher unwahrscheinlich ist. Dass er verbal nicht geäußert hat, das Handspiel irgendwann erkannt zu haben, spielt keine Rolle. Ebenso wenig die Tatsache, dass er sehr lange brauchte, um sich zu entscheiden.

Auch die Frage, ob das Handspiel elfmeterwürdig war, wird in einem möglichen Verfahren wohl nicht erörtert. „Wenn ein Schiedsrichter die Regel kennt, sie anwendet, aber die Tatsache falsch beurteilt, führt das nicht zum Erfolg eines Einspruchs“, sagt Breucker. Dann ist es eine Tatsachenentscheidung – egal, ob nun richtig oder falsch. „Wendet der Schiedsrichter jedoch die Regel falsch an, dann läge ein Regelverstoß vor“, ergänzt der Anwalt, „das würde zur Spielwiederholung führen.“

Was ist eine Tatsachenentscheidung?

Oft geht es in den Diskussionen rund um den Videobeweis darum, dass der Assistent im Kölner Keller nur bei klaren Fehlentscheidungen eingreifen soll. Auch dies ist im Fall des VfB nun nicht die entscheidende Frage. Lag etwa ein Handspiel vor, das der Schiedsrichter zunächst nicht erkannt hat, spielt es für die Definition einer Fehlentscheidung auch keine Rolle, ob er lange und mehrere Videoperspektiven für seine schlussendliche Entscheidung benötigt. „Auch wenn ein Vergehen tatsächlich schwer zu erkennen ist, ist das nicht entscheidend für die Offensichtlichkeit einer Fehlentscheidung“, sagt Marius Breucker.

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Ob die erste Äußerung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Lage die Chancen des VfB erhöhen, ist offen. Der DFB hatte am Montag auf Anfrage unserer Redaktion erklärt: Auf Handspiel zu entscheiden, sei regeltechnisch zwar vertretbar. Da es sich aber um keinen klaren Verstoß handelte, „erachten wir die getroffene On-Field-Review-Empfehlung des Video-Assistenten vor dem Hintergrund des Ermessensbereichs als nicht angebracht“.

Der Eingriff des VAR war also unnötig – juristische Folgen wird er wohl eher nicht haben.