Schlaglöcher, die als Tempobremse dienen, und ein Aussegnungshalle, die eine wahre Schande ist: Bei der Einwohnerversammlung sprechen die Birkacher viele alte und neue Themen an.

Birkach - Der Zustand der Stuttgarter Straßen ist an vielen Stellen mangelhaft. Das gestand Oberbürgermeister Fritz Kuhn bei der Birkacher Einwohnerversammlung in der vollen Alfred-Wais-Halle am 21. November unumwunden ein. Deshalb habe der Gemeinderat für den kommenden Doppelhaushalt mehr Geld lockergemacht. Auch Birkach sei davon betroffen, sagte Kuhn, obwohl er dem Stadtteil in seiner Einleitung ein insgesamt gutes Zeugnis ausstellte (sicher, familienfreundlich, viele Grünflächen).

 

„Die bereitgestellten Mittel reichen nicht aus“, kritisierte ein Bürger. Von Grund auf müsse man erneuern, nicht nur Schlaglöcher oberflächlich flicken. Das gelte vor allem für die Mittlere Filderstraße: „Der Zustand ist katastrophal“, so der Bürger, der sich als Ingenieur zu erkennen gab. In der Aulendorfer Straße müsse man gar um sein Auto fürchten, so verheerend sei der Straßenbelag.

Zu wenig in die Straßen und Radwege investiert

Dazu, so der Mann, komme der Verkehr: In der Alten Dorfstraße seien Bürger Freiwild. „Dort herrscht Anarchie“, sagte er und forderte Fritz Kuhn auf, die Bürger in der Sache miteinzubeziehen. Kuhn konterte: Wer alles von Grund auf erneuere, so der OB, der komme in ganz andere finanzielle Fahrwasser. „Man muss auch mal einfach etwas flicken“, so Kuhn. Zumal die Stadt nicht alles auf eine Karte setzen könne, es gebe auch andere Probleme. „In den letzten 15 Jahren wurde zu wenig in die Straßen und Radwege investiert. Wir haben immerhin damit angefangen“, verteidigte sich Kuhn.

Ein anderer Bürger konnte den Schlaglöchern sogar Gutes abgewinnen. „An diesen Stellen fahren die Leute wenigstens langsamer“, sagte er. Warum könne man nicht eine durchgängige Tempo-40-Zone einrichten, so der Bürger – denn vielerorts werde nach wie vor zu schnell gefahren? „In Birkach kann man selten wirklich zügig fahren“, entgegnete der Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Zumal es genaue Vorschriften für diese Bereiche gebe – die könne man nicht einfach verordnen, sagte Schairer. „Eins will ich klarstellen: Schlaglöcher sind für mich kein legitimes Mittel für Tempobeschränkungen“ sagte Fritz Kuhn unter dem Gelächter der Bürger.

Auf große Resonanz beim Publikum stieß die Forderung nach einer neuen Aussegnungshalle. „Ich schäme mich für diese Holzbretterbaracke“, sagte ein seit 35 Jahren in Birkach lebender Mann, „es ist eine Schande für die Lebenden und die Toten.“ Die Antwort des Technischen Bürgermeisters Dirk Thürnau quittierten die Bürger mit Kopfschütteln. Sein Hinweis auf den Denkmalschutz erntete Hohn. Der Bau sei seit Jahren ein Thema. „Ein Neubau ist problematisch, sowohl was die Fläche angeht als auch die Finanzierung“, so Thürnau.

Kein Stadtbezirk, der kein Bürgerhaus will

Auch ein Bürgerhaus brachte der Mann ins Gespräch. „Wo es Begegnung gibt, entsteht Kultur“, sagte er. Die Forderung verstehe er, sagte Kuhn. Versprechen könne er aber nichts. „Es gibt keinen Stadtbezirk, der kein Bürgerhaus will.“ Der Wunsch des Mannes, die Pallotti-Kirche zu erhalten, wies Kuhn entschieden zurück: „Dort brauchen wir einfach Fläche für Wohnungen.“ Als Oberbürgermeister müsse er an die Menschen ohne Wohnung denken. Das auf dem Areal geplante Wohngebiet für Studenten und Flüchtlinge kam nicht zur Sprache.

Auch die stetig wachsende Universität Hohenheim beschäftigt die Birkacher. So sei die Schwerzstraße aufgerissen worden, klagte eine Bürgerin. Oft werde nun einfach im Acker geparkt, sagte sie, „das ist eine Katastrophe.“ Parkplätze seien Mangelware. In der Egilolfstraße entsteht dafür gerade der dringend benötigte Wohnraum in Form eines weiteren Wohnheims. Das sei grundsätzlich zu begrüßen, sagte eine Anwohnerin. „Wir wurden aber nicht beteiligt, das Projekt wurde nicht vorgestellt“, kritisierte sie.

Die Egilolfstraße sei überlastet, Autos bretterten mit mindestens 60 Stundenkilometern durch, außerdem gebe es keine Parkplätze. Und die Sportplätze? „Die hat man abgerissen, obwohl es in der unmittelbaren Umgebung freie Flächen und Wiesen gibt“, so die Frau. Baubürgermeister Peter Pätzold verwies auf die Zuständigkeiten: Das Wohnheim sei ein Projekt der Universität und des Studierendenwerks. Der Gesprächsbedarf sei nachvollziehbar, ein Info-Abend für den 9. Dezember anberaumt. „Da wird dann auch jemand vom Stadtplanungsamt da sein“, versprach er.