Wegen der Pandemie ist die Lust zum Shoppen ohnehin bei den meisten gedämpft. Lärm und Dreck vor der Ladentür sind da wenig hilfreich. Eine Geschäftsfrau aus Stuttgart-Degerloch will wissen, warum mitten in der Krise Straßen aufgerissen und gesperrt werden müssen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Degerloch - Für die Degerlocher Einzelhändlerin Nicole Schiedmayer ist es ein schweres Jahr. Erst hatte sie eine Kündigung wegen Eigenbedarfs bekommen. Sie musste umziehen, umbauen und konnte am 15. Februar schließlich ihre neuen Geschäftsräume an der Rubensstraße eröffnen. In ihrem „Apartment 72“ gibt es seitdem wieder edle Mode und Wohnaccessoires zu kaufen. Doch einen Monat später kam der Lockdown.

 

„Dank intensiver sowie langjähriger Kundenbindung gelang es uns, über Social Media, E-Mail und Whatsapp diese schlimme Zeit zu überstehen“, sagt Schiedmayer. Doch die Verunsicherung bei den Menschen sei groß gewesen, und auch als sich die Infektionslage entspannte und sie ihren Laden wieder habe öffnen können, sei das Geschäft nur schleppend wieder angelaufen. Sie habe auf die traditionell umsatzstarken Monate September und Oktober gehofft. Doch eine Baustelle habe ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die Baustelle sei emotionslos und wenig sexy, sagt die Einzelhändlerin

Eigentlich ist die Rubensstraße eine Einbahnstraße. Im Vorbeifahren sei es den Kunden immer möglich gewesen, sich noch einmal von den Schaufenstern inspirieren zu lassen. „Das fällt seit zwei Monaten weg. Ganz zu schweigen von der emotionslosen Unsexyness einer Baustelle, die neben allem Dreck und Lärm nicht zum Bummeln einlädt“, sagt die Einzelhändlerin und fragt: „Wie kann man uns so etwas antun? Vor allen Dingen während dieser unglaublichen Corona-Pandemie?“

Seit 2. November befindet sich Deutschland im Teil-Lockdown. „Dieser trifft uns genauso hart, wie die Gastronomie. Mit dem kleinen Unterschied, dass wir keinerlei Unterstützung vom Staat bekommen und trotzdem unsere Rechnungen zahlen müssen“, sagt Schiedmayer. Zum Shopping-Erlebnis gehöre ein Abendessen beim Lieblingsitaliener oder ein Frühstück mit der besten Freundin im Café. Das alles sei nicht möglich, daher sei die Frequenz in den Einkaufsstraßen niedrig.

Das Planen von Baustellen sei aufwendig, sagen die Netze BW

Laut dem Baustellenkalender der Stadt Stuttgart ist die Rubensstraße zwischen Weidach- und Epplestraße seit 28. September voll gesperrt. Der Grund sind Arbeiten an Versorgungsleitungen der Netze BW. Allerdings sollten diese am 13. November, enden. Doch daraus wird wohl nichts. Das Projekt dauert voraussichtlich noch bis Ende des Monats.

Die Netze BW haben Verständnis für den Unmut der Einzelhändlerin. „Eine Baustelle direkt vor der Tür ist nie schön – und gerade in Corona-Zeiten mit fortbleibenden Kunden sicher eine besondere Herausforderung“, heißt es in einer Stellungnahme. Ausgangspunkt für die Arbeiten sei die von der Stadt geplante Neugestaltung eines Baumstandortes gewesen. Dafür habe man eine Wasserleitung umlegen müssen. Und um Synergien zu schaffen, habe man dann auch noch die Gas- und Stromleitungen erneuert. „Dies verhindert ein späteres nachträgliches Aufreißen der Straße“, schreibt die Netze BW und fügt hinzu: Die Planung von Baumaßnahmen sei aufwendig. Es gelte, Trassen zu finden und alles mit verschiedenen Ämtern abzustimmen. Sei ein Projekt erst einmal genehmigt, führe kein Weg mehr dran vorbei, es zeitnah auszuführen. „Dass die Situation in der Rubensstraße sehr unglücklich ist, können wir nachvollziehen. Die Vollsperrung und der in Kauf zu nehmende Umweg stellt Anlieger vor große Herausforderungen. Eine andere Lösung war aber leider aus Gründen des Bauablaufs und der verkehrlichen Situation nicht möglich“, so die Netze BW.