Dank centgenauer Abrechnung greifen viele Kunden wieder zum guten alten Einkaufsgutschein. In Fellbach fließen bereits knapp 180 000 Euro in den lokalen Einzelhandel, auch Waiblingen und Backnang berichten von einem vielversprechenden Start.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Dass der Einzelhandel in den Innenstädten im Überlebenskampf steckt, ist auch im Rems-Murr-Kreis keine überraschende Neuigkeit mehr. Im Duell mit den Einkaufszentren auf der grünen Wiese droht den klassischen Bummel-Meilen bei den Umsatzzahlen die Luft auszugehen. Und die nicht erst seit den Corona-Lockdowns erstarkte Konkurrenz durch Online-Anbieter und Paketdienste bringt in der City immer mehr kleine Läden an den Rand der Existenz.

 

„Leider wird oft vergessen, dass die lokal ansässigen Geschäfte nicht nur ein Ort für den Einkauf sind, sondern auch ein wichtiger Teil der Atmosphäre einer Stadt“, sagt der in Fellbach um die Belebung der City bemühte Julian Deifel. Wie lebenswert und attraktiv eine Innenstadt ist, hängt aus seiner Sicht maßgeblich von der Vielfalt der lokalen Geschäftswelt ab. Um die zu stärken, hat der von der Stadt als Einzelhandelskoordinator beschäftigte Citymanager jetzt ein Instrument zur Kundenbindung wiederentdeckt, das in der Branche bisher nur noch als reichlich verstaubter Hut galt.

Die Freude über einen Gutschein war bisher eher mäßig

Die Rede ist vom guten alten Einkaufsgutschein, der bei Einzelhändlern und Kundschaft in vergangenen Jahrzehnten immer weniger hoch im Kurs stand. Als Geschenk zu Weihnachten, zum Geburtstag oder auch zur Konfirmation überreicht, galt das bunt bedruckte Papier als schlagender Beweis, dass dem Schenkenden leider kein Präsent mit einer persönlichen Note eingefallen war. Wer einen Gutschein erhielt, freute sich eher mäßig und legte ihn mehr oder weniger achtlos in eine Schublade – wo der Wertbon in vielen Fällen heute noch schlummert.

Tot ist die Idee des Einkaufsgutscheins freilich keineswegs. In Fellbach, aber auch in Waiblingen und Backnang erleben die als Bargeldersatz ausgegebenen Coupons für den lokalen Einkauf gerade eine neue Blüte. Hintergrund sind einige kleine Änderungen am System, die dem Gutschein deutlich mehr Attraktivität bescheren: Im Gegensatz zu den aus früheren Zeiten bekannten Wertbons können Kunden mit Gutscheinen der neuen Generation nicht nur in einem bestimmten Geschäft einkaufen.

Über App und QR-Code wird inzwischen auf den Cent genau abgerechnet

Die verbuchte Summe ist inzwischen auch in Teilbeträgen einlösbar – und wird über eine App auch centgenau abgerechnet. „Der Beschenkte hat jetzt die volle Flexibilität und kann sich mit einem Gutschein auch mehrere kleine Wünsche erfüllen“, sagt der auch für den Stadtmarketing-Verein tätige Deifel.

Weil der Gutschein auch wieder aufladbar ist, wird aus dem angestaubten Zahlungsmittel ein vollwertiger Bargeldersatz. Die Kunden können nach dem Einkauf im Supermarkt erst bei der Apotheke vorbeischauen, sich im Anschluss im Buchladen durch die Bestseller-Auslage wühlen und den Bummel durch die Stadt mit einem Cappuccino ausklingen lassen. Dass der Gedanke, mit dem in verschiedenen Geschäften und auch in der Gastronomie einlösbaren Gutschein beim Publikum ankommt, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Obwohl die Werbung für das neue System noch gar nicht auf vollen Touren läuft, sind unterm Kappelberg über die Gutscheine im vergangenen Jahr knapp 180 000 Euro in den lokalen Einzelhandel geflossen. Bisher sind 43 Unternehmen im Netzwerk des Fellbach-Gutscheins gelistet.

In Waiblingen und Backnang werden Lizenzgebühren fällig

Die Beträge der Nachbarstadt werden in Waiblingen zwar noch nicht ganz erreicht. Dennoch spricht auch Wirtschaftsförderer Marc Funk von einer vielversprechenden Startphase des 2021 installierten Gutschein-Systems. Konkrete Umsatzzahlen will Funk zwar nicht nennen. Im Vergleich zu den seit einem Vierteljahrhundert existierenden Papier-Gutscheinen biete die über einen QR-Code auslesbare neue Version aber für die Kunden einen echten Mehrwert.

Ein Unterschied zu Fellbach ist, dass die Einzelhändler in Waiblingen knapp drei Prozent der Auftragssumme als Lizenzgebühr abführen müssen – in Fellbach wird dieser Betrag bis 2025 durch ein Berliner Förderprogramm für zukunftsfähige Innenstädte abgedeckt. Auch beim ebenfalls 2021 eingeführten Backnang Kärtle werden zwar keine konkreten Umsatzzahlen genannt, aber große Zufriedenheit geäußert. Gehofft wird in allen drei Kommunen, dass mit der lokalen Geschäftswelt auch ortsansässige Firmen den Gutschein für sich entdecken – und als Instrument zur Motivation ihrer Mitarbeiter nutzen.

Unter dem Stichwort „Steuerfreier Sachbezug“ können Unternehmen ihren Beschäftigten schließlich bis zu 50 Euro pro Monat zukommen lassen – solange das Geld nicht bar ausgezahlt wird. Bisher haben vor allem große Online-Händler und über die Tankkarte auch Mineralöl-Konzerne von der Zuwendung profitiert – mit dem Gutschein könnte die Kaufkraft auch in den lokalen Handel fließen. Laut Marc Funk ist die Idee bei einzelnen Firmen bereits angekommen. „Eine Firma hat zu Weihnachten Mitarbeiter-Gutscheine für 20 0000 Euro bestellt.“