Die Umgestaltung der Cannstatter Straße belastet die Einzelhändler, die wegen der Corona-Pandemie ohnehin schon herbe Einbußen verkraften müssen. Der Parkbonus in der Tiefgarage unter dem Fellbacher Rathaus wird unterschiedlich bewertet.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Fellbach - Eine Baustelle vor dem Laden ist immer schwierig für den Einzelhandel, vor allem, wenn sie zu den Einbußen wegen Corona dazu kommt. Wie geht es den Fellbacher Händlern und Betrieben in der Cannstatter Straße? Seit Mai wird dort zur Umgestaltung des Einkaufsviertels in der Wohncity gebuddelt.

 

Manchmal sind nur wenige Arbeiter im Einsatz

Gerade haben die Bagger Pause, es ist Urlaub bis 24. August. Darüber informiert die Baufirma auch auf einer Stele in der Cannstatter Straße, auf der die Bauabschnitte der Sanierung dargestellt sind. Händler wie Gudrun Bürkle, die hier einen Lagerverkauf mit Tierfutter hat, bezweifeln den Sinn, in den Sommerferien zu pausieren. Gerade diese Zeit böte sich zum Durchstarten an. Außerdem fragt sie sich, weshalb manchmal nur wenige Arbeiter im Einsatz seien statt einer großen Mannschaft. Gudrun Bürkle sorgt sich, dass es nicht schnell voran geht.

„Grundsätzlich sind Baupausen im Sommer nicht unüblich“, sagt Sevdalina Böhme vom Fellbacher Tiefbauamt, die vierzehntägige Urlaubszeit des Bauunternehmens sei in den Planungen „mit eingetaktet“. Eine andere Möglichkeit wäre es gewesen, in der Urlaubszeit mit weniger Personal auf der Baustelle zu arbeiten. „Beide Regelungen bringen Zeitverzögerungen mit sich“, sagt Sevdalina Böhme.

Die Händler brauchen demnach wohl noch viele Nerven und Durchhaltevermögen

Und was die Zahl des Personals auf der Baustelle angehe: Das richte sich, sagt sie, in der Regel nach den anstehenden Arbeiten, der möglichen Baustellenlogistik und den Kapazitäten. Bei Leitungsarbeiten etwa sei der Platz begrenzt. „Die Überlegung, die Leitungen in der Cannstatter Straße und der Gerhart-Hauptmann-Straße parallel anzugehen, wurde vom Tiefbauamt geprüft aber verworfen, da dann das gesamte Areal hätte gesperrt werden müssen, was noch mehr Einschränkungen zur Folge gehabt hätte. Bei großflächigen Arbeitsvorgängen kommen mehr Kräfte zum Einsatz als zum Beispiel bei Pflasterarbeiten oder den engeren Tiefbauarbeiten.“

Die Händler brauchen demnach wohl noch viele Nerven und Durchhaltevermögen. Das macht auch Karin Bauerle, die einen Obst- und Gemüseladen in der Cannstatter Straße betreibt, deutlich. Was ihr richtig die Nerven raube, sei der viele Staub, der im buchstäblichen Sinn aufgewirbelt werde. Dass Bagger Staub erzeugten, sei eine Sache. „Aber wenn Autofahrer durch die Baustelle wie auf einer Rennstrecke rasen, ist das ein No-Go“, macht sie ihrem Ärger Luft.

Umsatzeinbruch bis zu 50 Prozent

Diese Staubwolken seien eine Zumutung und drückten Rücksichtslosigkeit aus. Das bringe mit sich, dass die Schaufenster ständig gereinigt werden müssten und die Auslagen vor dem Laden leiden würden. Sie höre auch immer wieder von Kunden, dass sie nicht mehr kommen, weil ihnen das Umfeld derzeit nicht gefalle. Die Geschäftsfrau hofft daher, dass die Bauarbeiten zügig vorwärtsgehen. Der Parkbonus in der Tiefgarage des Rathauses spielt für sie keine entscheidende Rolle. „Zu uns kommen nur noch die Kunden, die zu Fuß kommen. Die, die mit dem Auto unterwegs sind, kommen nicht mehr“, berichtet Karin Bauerle. „Wichtiger als der Parkbonus in der Tiefgarage sind Parkplätze vor dem Laden“, sagt sie. Ihren Umsatzeinbruch beziffert sie mit rund 50 Prozent.

Aus Sicht von Melanie Wied vom Raumausstatterbetrieb Mödinger in der Cannstatter Straße ist es schwer zu sagen, ob Corona oder die Baustelle den Handel mehr belasten. Dass die Bauarbeiten aufwendig seien, sei nachvollziehbar. „Bei Leitungen, die hundert Jahre alt sind, stimmen wahrscheinlich auch nicht alle Zeichnungen“, sagt sie. Den Parkbonus, dass eine Stunde im Parkhaus Stadtmitte kostenlos geparkt werden kann, findet sie hilfreich.

Parkbonus in der Tiefgarage mit einer Stunde zu kurz

Da sie aber keinen Einzelhandel betreibe, sondern einen Handwerksbetrieb, habe sie andere Rahmenbedingungen – und zum Glück bisher keine Einbußen zu verzeichnen.

Hohe Umsatzeinbrüche hat dagegen wenige Meter weiter das Modegeschäft Annas Mode zu beklagen. Alexander Cernomoret, der gemeinsam mit seiner Frau Anna das Geschäft seit 15 Jahren führt, sagt, die Umsätze seien um mehr als die Hälfte gesunken. „Wir leiden alle“, die Stammkundschaft komme zum Glück noch, die Laufkundschaft gehe gegen null.

Aus seiner Sicht ist der Parkbonus in der Tiefgarage mit einer Stunde zu kurz zum Einkaufen. Er regt an, während der Bauzeit für die betroffenen Geschäfte Auslasskarten für die Kunden zur Verfügung zu stellen. Nach dem Shutdown sei es bei ihm im Laden wieder aufwärts gegangen, was durch die Baustelle leider wieder abrupt beendet worden sei. „Wir haben die Frühlings- und Sommermode verloren, jetzt verlieren wir die Herbst- und Wintermode“, sagt er. Der Händler regt an, einzelne Sonntagsöffnungen für die betroffenen Betriebe während der Bauzeit zu ermöglichen. „So könnten wir etwas aufholen.“ Er hofft, dass die Arbeiten „so schnell wie möglich“ fertig sind.

Was sagt die Stadt dazu? „Die Arbeiten werden voraussichtlich im November soweit sein, dass die Cannstatter Straße wieder für den Verkehr geöffnet wird“, teilt Sabine Laartz vom Presseamt mit. In den Randbereichen – Gehwege und Parkbuchten – erfolgten bis in den Dezember hinein noch Pflasterarbeiten. Sevdalina Böhme vom Tiefbauamt ergänzt: „Im Dezember beginnen parallel dazu die ersten Arbeiten in der Gerhart-Hauptmann Straße. Geplant ist, im Dezember mit zwei Trupps zu arbeiten, damit die Baumaßnahme schneller voran geht.“