Erich Theile schließt zum Jahresende sein mehr als 70 Jahre bestehendes Traditionshaus in der Bahnhofstraße. Ein großer Verlust für den Einzelhandel in Fellbach.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Fellbach - Es ist ein Verlust für den Einzelhandel in der Fellbacher Bahnhofstraße: Inhaber Erich Theile von der gleichnamigen Goldschmiede schließt die Pforten zum Jahresende. Einen Nachfolger gibt es nicht. Es fällt dem Goldschmiedemeister nicht leicht, den Laden zu schließen. „Eigentlich wollte ich das schon vor fünf Jahren machen,“, sagt er. Im Ruhestand könnte der agile Geschäftsmann längst sein. Am Wochenende des Fellbacher Herbstes wurde er 73 Jahre alt. Engagiert und mit Herzblut führt er den Laden.

 

Die Corona-Regeln bedingen, dass sich nur zwei Kunden in den Räumen aufhalten dürfen

Auch wenn er bereits an zwei Tagen, am Dienstag und Mittwoch, geschlossen hat, kommen an den anderen Tagen umso mehr Kunden in das kleine Goldschmiede- und Uhrenfachgeschäft nahe des Stuttgarter Platzes. An diesem Donnerstagnachmittag ist ein Kommen und Gehen in dem Traditionshaus in der Bahnhofstraße 69, in dem in der eigenen Werkstatt noch echtes Handwerk praktiziert wird.

Die Corona-Regeln bedingen, dass sich nur zwei Kunden in den Räumen aufhalten dürfen. Immer wieder bittet Erich Theile darum, kurz draußen zu warten. Fehlender Andrang – selbst in Corona-Zeiten – ist offenbar nicht der Grund für die Schließung. Für Erich Theile kommen mehrere Faktoren zusammen, die den Ausschlag gegeben hätten. Zum einen nennt er den Onlinehandel, der ganz anders kalkulieren könne als der stationäre Handel, und zudem einen enormen Preisdruck verursache und das Einkaufsverhalten zum Teil negativ beeinflusse. „Manche kaufen im Netz ihre Uhr und wollen das Armband bei mir kostenlos kürzen lassen“, erzählt der Fachmann, dessen Arbeiten prämiert wurden. Er war schon als Lehrling Kammersieger, erster Landessieger und dritter Bundessieger. Hinzu komme der „rigorose Strukturwandel“, der in der Bahnhofstraße wie auf vielen anderen Einkaufsmeilen zu erfahren sei.

Erich Theile hat die Entwicklung verfolgt, wie Traditionshäuser verloren gingen

Theile war seit 1994 als Sprecher der Werbegemeinschaft Bahnhofstraße aktiv, bis er 2015 das Amt an Sonja Zielke übergeben hat. Er hat die Entwicklung verfolgt, wie Traditionshäuser über die Jahre verloren gingen. Als weiteren Grund nennt der Geschäftsmann die Belastungen, die durch die geplanten Umbauarbeiten im nächsten Jahr zur Neugestaltung der Bahnhofstraße auf ihn zukämen. Die Bauarbeiten in der Cannstatter Straße und in der Neuen Mitte Schmiden hätten ihm gezeigt, wie sehr der Handel kämpfen müsse, um eine solche Großbaustelle zu überstehen. „Baustellenerfahrung“ habe er damals schon gemacht, als der Stadttunnel gegraben wurde. Mit der Fertigstellung des Tunnels 1997 wurde ein Großteil der Blechlawine in den Untergrund verlegt. Doch bis es so weit gewesen sei, habe es reichlich Durchhaltevermögen gebraucht. „Da haben wir mit kleinen Baggern unser Schaufenster dekoriert“, erinnert sich Theile. Hinzu komme ein weiteres Bauprojekt der Volksbank am Stuttgarter Platz.

Einen Nachfolger gibt es nicht

Wie Bernd Köhler vom Gewerbeverein Fellbach mitteilt, fällt im nächsten Jahr der Startschuss für einen Neubau am Stuttgarter Platz. Dort entstünden neue Räume für die Bank und im Obergeschoss noch weitere Räume für Büros. Zudem werde die Bahnhofstraße mit diesem Neubauprojekt aufgewertet.

Einen Nachfolger hat Erich Theile, der das Geschäft mit seiner Frau Gisela und der Goldschmiedin Gudrun Claßen führt, nicht. Seine Söhne haben sich für andere Branchen entschieden, seien längst erfolgreich im Maschinenbau und in der Informatik. „Für die Stammkunden tut es mir leid“, sagt er, während ein treuer Kunde die selbstproduzierte Herbstdeko, kleine rote Äpfelchen, vorbeibringt.

Doch Erich Theile, der in Jugendtagen aktiver Leichtathlet beim SV Fellbach war, hat Ausdauer und fühlt sich „fit“, wie er sagt. Der Endspurt gilt nur im Laden. Für die CDU-Fraktion ist er weiter im Gemeinderat aktiv. Seit 1984 gehört er diesem Gremium an, seit 1994 sitzt er im Kreistag. Da vertritt er die Anliegen des Einzelhandels, und er ist dafür bekannt, seinen Standpunkt zu vertreten – auch wenn es unbequem ist. 2019 stimmte er im Gemeinderat als einziger gegen das Einzelhandelskonzept. Durch dieses werde „die Weiterentwicklung des Einzelhandels in der Bahnhofstraße ausgebremst“, ist er nach wie vor überzeugt.