„Ganz Ohne“ heißt der Laden von Melanie Kupi: Dort gibt es Lebensmittel und Drogerieartikel ohne Verpackung. Die Kundschaft hat für die Anschubfinanzierung gesorgt.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Eine Kundin will zunächst gar nichts kaufen, sondern etwas los werden: „Ich freue mich echt, dass es den Laden gibt“, sagt sie zu Melanie Kupi am Tag vor der eigentlichen Eröffnung. „Viel Erfolg“ wünscht sie der Inhaberin und verspricht noch, immer wieder zum Einkaufen zu kommen. „Ganz Ohne“ heißt das neue Geschäft am Herrenberger Marktplatz, in dem es Lebensmittel und Drogerieartikel ohne Verpackung gibt. Die Kundschaft ist dem Laden schon jetzt besonders verbunden: Bei einem Crowdfunding vor einem Jahr spendeten 600 Menschen innerhalb von sechs Wochen 40 000 Euro für das Projekt. Und das war für Melanie Kupi Grund genug, es durchzuziehen, obwohl ihre zwei Geschäftspartnerinnen wieder abgesprungen sind.

 

Das Müllaufkommen ist zum Problem geworden

„Ganz Ohne“ ist auch nicht nur ein Start-Up, für die 30-Jährige ist es eine Mission. „Als Öko würde ich mich nicht bezeichnen“, sagt die Unternehmensberaterin zwar, die nach wie vor bei Mercedes-Benz Consulting arbeitet. Aber das Müllaufkommen ist für sie zu einem Problem geworden. Vor zwei Jahren wollte sie zur Fastenzeit auf etwas verzichten, weil Schokolade nicht geht, fiel die Wahl auf Plastik. Obst und Gemüse ohne Verpackung einzukaufen, funktionierte gut, bei trockenen Lebensmitteln wurde es schon schwieriger, bei Waren aus der Drogerie war es unmöglich. Außerdem produziert und vertreibt ihre Cousine Susanne Golzheim Bienenwachstücher als Alternative zur Frischhaltefolie. „So bin ich auf den Trichter gekommen, meinen Konsum zu überdenken“, sagt sie.

Ein Unverpackt-Laden würde Herrenberg gut tun, dachten sich dann Melanie Kupi, ihre Cousine und eine Freundin. Das Ergebnis des Crowdfundings gab ihnen recht. Doch aus familiären Gründen stiegen die beiden anderen Frauen aus der Betriebsgründung aus. „Als ich alleine da stand, war ich erst erschrocken“, erzählt die 30-Jährige. Letztendlich wollte sie weder ihre Investoren enttäuschen noch einem Konkurrenten das Feld überlassen. Um alles vorzubereiten, befindet sie sich seit April in einem dreimonatigen Sabbatical, von Juli an will sie in Teilzeit an ihren alten Arbeitsplatz zurück und das Geschäft mit Hilfskräften managen. „Ich mag meinen Beraterjob“, sagt sie.

Vor dem Einkauf die Erklärung

Am Tag vor der Eröffnung muss die Betriebswirtschaftlerin ihren ersten Kundinnen erst einmal erklären, wie das System funktioniert. „Plastikfrei einkaufen ist ganz einfach“, lautet das Motto, das sie auf eine Werbetafel geschrieben hat. Eigene Behälter oder bei ihr erhältliche Weckgläser müssen zunächst leer gewogen werden, können anschließend mit Nudeln, Müsli oder Mehl gefüllt werden. Je nach Menge wird der Inhalt schließlich an der Kasse bezahlt. Gewürze aus Haigerloch, Öle aus Bondorf, Kaffee, Süßigkeiten, Putzmittel, Haarwaschmittel und Zahnpasta zählen zum Sortiment. „Ganz Ohne“ ist bio-zertifiziert, regionale Herkunft findet die Inhaberin bei Lebensmitteln aber wichtiger. Geplant ist ein Lieferdienst mit Lastenrad für Online-Bestellungen.

„So schön hatte ich es mir nicht vorgestellt“, sagt eine Kundin, als sie das neue Geschäft betritt. Die Einrichtung hat Melanie Kupi aus schwarzen Rohren und Grobspanplatten selbst gebaut. Als Gegenleistung für die Finanzierung dürfen einige Spender vor der Eröffnung am 29. Mai zum Testeinkauf kommen. Andere haben sich mit ihren Namen auf den Warenspendern verewigt, die Patenschaft für die Schoko-Crunchies übernahmen beispielsweise „Swea & Marcel“. Es wirkt als hätten die Herrenberger auf solch einen Laden gewartet. „Ich bin guter Dinge“, sagt die Besitzerin auf die Erfolgswünsche.