Die erste Woche nach dem Lockdown war für den Stuttgarter Handel in der Innenstadt durchwachsen. Nicht zuletzt deshalb fordert der Handelsverband von der Landesregierung die sofortige Öffnung wie in anderen Bundesländern. Der Verband sieht inzwischen die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr.

Stuttgart - Stuttgarts Handel hat in der Coronakrise gelernt, im Hier und Jetzt zu leben. So auch in dieser Woche, in der laut Verordnung der Verkauf nur nach Terminvereinbarung, Click and Meet genannt, möglich war. Riesige Umsätze wurden so nicht gemacht, aber fürs gute Gefühl der vielen Arbeitnehmer, Kunden und Einzelhändler war er ein Segen. Bei Breuninger seien sogar Tränen geflossen.

 

Den Umständen entsprechend. . .

„Gemessen an den Umständen war die erste Woche ein Erfolg“, sagen Christoph Achenbach von Lederwaren Acker und Rainer Bartle vom Buchhaus Wittwer/Thalia unisono. Auch wenn die Königstraße manchmal so voll wie in guten alten Zeiten wirkte, sei es ein trügerisches Bild gewesen. „Die Frequenzmessung verzeichnete 50 Prozent weniger Passanten als im Vergleichszeitraum des Vorjahres“, stellt Achenbach fest. Um annähernd an das Niveau vor der Pandemie zu kommen, da ist er sich abermals mit Bartle einig, müsse das Orchester Innenstadt wieder gemeinsam musizieren: Handel, Gastro, Kultur und Tourismus.

Am Beispiel Breuninger werden die Auswirkungen von „Click and Meet“ deutlich. Im Stammhaus dürfen sich aktuell 857 Kunden zeitgleich aufhalten. Am Freitagnachmittag zählte man im Stammhaus rund 300 Personen. Zum Vergleich: An einem Vor-Corona-Freitag kamen bis zu 30 000 Kunden. An einem Adventssamstag werden 70 000 gezählt. Daher ist Konzernsprecher Christian Witt mit dem wirtschaftlichen Ergebnis der ersten Woche nach dem Lockdown „unzufrieden“: „Wir liegen weit unter den Erwartungen.“

Sofortige Öffnung gefordert

Daher befürworten die Chefs der Traditionsläden eine sofortige und uneingeschränkte Öffnung des Handels. Rückenwind versprechen sie sich von einem Urteil des saarländischen Oberverwaltungsgerichts (OVG), das die Corona-Beschränkung im Handel vorläufig aufgehoben hat. Das OVG meinte, der Lockdown verstoße gegen Artikel 3 (Gleichheitsgrundsatz) und 12 (Freiheit der Berufswahl- und Ausübung) des Grundgesetzes. In diesem Zusammenhang fordert Sabine Hagmann vom Handelsverband von der grün-schwarzen Landesregierung, diese Verletzung „des Herzens unseres Grundgesetzes“ zu beenden und die Läden in Baden-Württemberg umgehend sowie generell zu öffnen. Unterfüttert wird die Forderung mit der Feststellung, dass es im Handel keinen Infektionsherd, sprich praktisch keine Ansteckungen gebe. Dabei beruft sich der Verband auf ein Gutachten der Berufsgenossenschaft Handel und Logistik. Christian Witt ergänzt: „Sicherer als bei uns kann man nicht einkaufen. Daher wollen wir eine Gleichbehandlung mit Drogerien, Lebensmittelhändlern oder Buchhändlern.“

Mit diesen Forderungen will die Mehrheit der Händler, wie jüngste Umfragen des Handelsverbandes zeigen, dem schlimmsten aller Fälle vorbeugen: der erneuten Komplett-Schließung bei steigenden Inzidenzwerten. Welche Auswirkungen der bisherige Lockdown für die Innenstadt habe, so Hagmann, sei schon zu sehen. Sie vergleicht die Handelslandschaft mit einem Lückengebiss. Soll heißen: Die lückenhaften Ladenreihen seien nicht nur unattraktiv für das Erscheinungsbild, sie zögen weitere Lücken nach sich. „Es besteht die Sorge, dass einer den anderen mitreißt“, sagt Hagmann. Die Folge wäre die Verödung der Innenstadt.