Ulm/Eislingen.
Im Streit um Drogengeld scharen sich mehrere Männer zu einer räuberischen Erpressung zusammen. Das Landgericht Ulm verhängt deswegen Haftstrafen. Aber auch gegen den Hauptgeschädigten wird jetzt ermittelt.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Eislingen/Ulm - Wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in einem Fall und Beihilfe zur Erpressung in zwei Fällen hat das Landgericht Ulm am Donnerstag Haftstrafen gegen drei Männer verhängt. Ein Haupttäter im Alter von 38 Jahren ist zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, seine Helfer im Alter von 38 und 20 Jahren zu zweieinhalb und zwei Jahren. Geahndet wurde damit eine Abfolge von Bedrohungen gegen einen 36-jährigen Mann aus Eislingen. Sie gipfelten in Schüssen, die aus einem fahrenden Auto heraus abgegeben wurden. Die Ursache nach Überzeugung des Gerichts: Ein Streit um eine Geldforderung in Höhe von 20 000 Euro im Zusammenhang mit dem Handel von Heroin.

 

Am 24. November des vergangenen Jahres gegen 22.15 Uhr hatten drei Schüsse die Anwohner einer Wohnstraße in Eislingen aufgeschreckt. Ein Projektil durchschlug die Scheiben eines parkenden Autos. Anschließend war ein mit mehreren Personen besetzter BMW davongerast. Zweimal in der Folgestunde wurde das Auto geblitzt, Fahrer und Beifahrer waren auf den Fotos zu sehen. Das Ziel des Angriffs war ein 36-jähriger Familienvater, der zum Tatzeitpunkt mit vier weiteren Männern auf dem Weg nach Hause auf dem Gehweg stand. Er erstattete aus Angst um sich und seine Familie Anzeige bei der Polizei. Die Gruppe stand rund 40 Meter entfernt vom nächtlichen Schützen. Wenige Tage später kam es zu Verhaftungen, seither sitzen die am Donnerstag verurteilten Männer in Untersuchungshaft.

Die Angeklagten schwiegen oder lavierten

Die Rekonstruktion der Ereignisse allerdings gestaltete sich schwierig, wie auch der Ulmer Richter in seiner Urteilsbegründung nochmals anmerkte. Nicht nur die Angeklagten schwiegen nach ihrer Festnahme überwiegend oder machten „beliebige Aussagen“, auch der Geschädigte gab sich auffällig wortkarg. Der Mann, sagte der Richter, habe zwar „eine bürgerliche Fassade, betätigt sich aber erheblich kriminell“. Er kaufte wohl Anfang Oktober 2018 Heroin vom jetzt verurteilten Haupttäter, bemängelte anschließend jedoch dessen schlechte Qualität. 12 000 Euro wurden letztlich bezahlt, doch der Drogenverkäufer wollte mehr, nämlich weitere 20 000 Euro. Als das Geld trotz vielfachen Drängens und Drohens nicht floss, wurden die Maßnahmen mittels Helfern verschärft.

An jenem 24. November passten zunächst zwei der Angeklagten den 26-Jährigen nachmittags vor einem Supermarkt in Eislingen ab, bedrohten ihn mit Baseballschlägern. Der Angegriffene rannte in den Markt und rettete sich so vor möglichen Schlägen. Einer der Täter stritt das im Prozess ab, behauptete, er habe dem 36-Jährigen vor dem Markt lediglich „die Hand geben wollen“. Das Gericht glaubte das nicht. Am Abend traf sich der erzürnte Drogengläubiger mit weiteren Helfern in einer Gaststätte in Eislingen. Mit einem geliehenen BMW fuhren sie zu viert zur Wohnung des Schuldners. Der 36-Jährige, aufgeschreckt durch den Vorfall am Supermarkt, hatte seinerseits einen Bruder und Kumpane zusammengetrommelt, um sich zu verteidigen. Aus dem BMW heraus sei dann, so das Gericht, zur weiteren Warnung ins Dunkel geschossen worden.

Das Gericht sieht keine Mordabsichten

Die Staatsanwaltschaft hatte den Vorgang als versuchten Mord bewertet. Die Kammer folgte dieser Ansicht nach Schluss der Beweisaufnahme nicht. „Tote zahlen keine Schulden ab“, sagte der Richter; der gesamte Verlauf des Abend sei mehr chaotisch denn geplant abgelaufen. „Es ist glücklicherweise nichts Schlimmes passiert“, sagte der Vorsitzende. Der 32 Jahre alte Pistolenschütze, der auf dem Beifahrersitz saß, hatte am vorletzten Prozesstag eingeräumt, in die Luft geschossen zu haben, im Weiteren auf seinen Drogenkonsum am Tattag und eine langjährige vorhergehende Drogenabhängigkeit verwiesen. Der Verteidiger des Mannes hatte ein psychiatrisches Gutachten zur Schuldfähigkeit beantragt, das Gericht gab dem nach. Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Schützen wurde deshalb abgetrennt, es wird Ende November mit dem Vortrag eines psychiatrischen Gutachters gesondert fortgeführt.

Der Geschädigte ist jetzt selber im Fokus

Auch für den 36-jährigen Geschädigten, der sich nach Ansicht des Gerichts aus echter Angst um Frau und Kinder an die Polizei wandte, ist der Fall nicht ausgestanden. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Drogenhandels.