Der einstige CDU-Aufsteiger Friedrich Merz lehnt eine Ehrung der Ludwig-Erhard-Stiftung ab – angeblich, weil er nicht mit deren Leiter Roland Tichy auf einer Bühne stehen will. Auch Jurymitglieder treten zurück. Der alte Streit um den beinhart konservativen Tichy ist neu entbrannt.

Bonn - Ein entschlossener Befürworter der sozialen Marktwirtschaft zu sein, diese Kurzbeschreibung hätte Friedrich Merz, einst einer der Hoffnungsträger der CDU, wohl nie als Beleidigung empfunden. Man sollte also meinen, eine Ehrung durch die Ludwig-Erhard-Stiftung für Verdienste um die soziale Marktwirtschaft sei ihm wie anderen Politikern und Publizisten in der Vergangenheit, Otto Graf Lambsdorff etwa, hoch willkommen. Doch der Versuch der 1967 vom Altkanzler Erhard mit dem Auftrag des Eintretens für freiheitliche Grundsätze in Wirtschaft und Politik gegründeten Stiftung, Merz auszuzeichnen, hat nun zum Eklat geführt. Der 62-jährige Merz lehnt ab. Und das nicht nur aus Bescheidenheit.

 

Über die Gründe seiner Entscheidung mag Friedrich Merz öffentlich nicht sprechen. Dem „Handelsblatt“ aber liegt eine interne E-Mail vor, aus der die dem Marktwirtschaftsgedanken selbst nicht nur lose verbundene Zeitung in vollem Bewusstsein der Sprengkraft des Gesagten zitiert: Generell tue er sich mit Preisen schwer, soll dort über Merz zu lesen sein, „in diesem Fall aber besonders, weil er nicht mit dem Vorsitzenden der Stiftung auf einer Bühne auftreten wolle.“

Sturer und herber

Der Vorsitzende, das ist Roland Tichy, der frühere Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, der mit Merz nicht nur den Geburtstag teilt, den 11. November 1955, sondern früher neben der konservativen Grundgesinnung eine Freude am unerwartet offenen Wort teilt: Auch Merz war mal ein Freund der Attacke, des Einspeisens von Gedanken, die nicht im Akt der Vorzensur auf alle im Raum versammelten Empfindlichkeiten Rücksicht nahmen. Aber Tichy war immer schon sehr viel wirtschaftsdarwinistischer als Merz, sturer im Gedanken und herber in der Wortwahl.

Das brachte ihm den Ruf ein, der rücksichtsloseste Polterer in den Kreisen der Wirtschaftsliberalen zu sein, und machte ihn als Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, die ihre Themen an weite Kreise der Bevölkerung bringen möchte, zur immer heikleren Figur. Als Tichy 2014 abgelöst wurde, fand er aber nicht bloß als Geschäftsführer der Ludwig-Erhard-Stiftung Arbeit, er führte auch seine publizistische Tätigkeit fort: mit dem neu gegründeten Web-Magazin „Tichys Einblick“.

Ein Magazin für die Merkel-Gegner

Hier fanden schnell die Merkel-Gegner von rechts eine Heimat, und die lobten in den sozialen Netzwerken gern und viel, hier dürfe ein willkommenere Querdenker endlich Klartext schreiben. Dass Tichy aber sehr klar immer weiter nach rechts driftete, rief auch heftige Kritik hervor: Der Mann, der sich als Gegner der offenen Gesellschaft positioniert, sieht sich immer wieder einmal dem Vorwurf ausgesetzt, am fein gedeckten Tisch letztlich das salonfähig zu machen, was die schlimmsten Hetzer der AfD in den düstersten Stunden dieser Partei in Bierkneipenversammlungen grölten.

„Tichys Einblick“ bildete eine Art Maßstab für jene konservativen Intellektuellen und Publizisten wie etwa Cora Stephan, die sich über Ausgrenzung und Diffamierung entschieden konservativer, ihrer Einschätzung nach nonkonformistischer Debattenbeiträge beschweren: Wenn etwas hier stehen konnte, schien ihnen dadurch bewiesen, dass es zum bürgerlichen Streit über die Republik gehörte und eben keine rechtspopulistische Hetze war.

Argwohn gegen Merz

Merz’ Ablehnung des Preises macht das freundliche Hinwegsehen einstiger Weggefährten über die Entwicklung Tichys unmöglich., Nun muss man Position beziehen, und  vier Jurymitglieder der Ludwig-Erhard-Stiftung haben das bereits getan. Sie sind zurückgetreten und beklagen, der Stiftung sei es zuletzt unter Tichy sogar schwer gefallen, Laudatoren zu finden. Tichy selbst allerdings weist alle Vorwürfe zurück: weder gebe es in der Stiftung Unstimmigkeiten, noch habe man Schwierigkeiten Laudatoren zu finden. Auf „Tichys Einblick“ argwöhnt der Autor Fritz Goergen, einst Strategieberater von Jürgen Möllemann und Guido Westerwelle, die Enthüllung im „Handelsblatt“ sei Teil einer Offensive der Merkel-Treuen, die sich „zum letzten Gefecht“ sammelten.