Der Verein Take aus Stuttgart klärt Besucher von Festivals und Clubs über deren Drogen auf. Bei seiner Präventionsarbeit profitiert er von Erkenntnissen aus anderen Ländern, in denen mehr erlaubt ist.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Ludwigsburg - An diesem Samstag wummern wieder Techno-Beats durch den Innenhof des Ludwigsburger Residenzschlosses. Mehr als 6000 Tanzwütige werden beim Techno-Festival Electrique Baroque zu Bässen in barockem Ambiente feiern. Das Fest findet bereits zum vierten Mal statt. Immer ein Thema bei solchen Veranstaltungen: Drogen. Auf Metal- und Rockfestivals wird vor allem Bier getrunken, auf Hip-Hop-Veranstaltungen wird gekifft – und auf Elektrofestivals werden Pillen geschmissen.

 

Diese Klischees sind zwar überspitzt, aber völlig aus der Luft gegriffen sind sie nicht, bestätigt Stefan Pauen, der das Electrique Baroque veranstaltet: „Das Thema Drogen schwingt in dieser Szene immer mit.“ Ernsthafte Probleme habe es in den zurückliegenden Jahren aber nicht gegeben. Pauen führt das darauf zurück, dass die Besucher des Electrique Baroques im Vergleich zu Veranstaltungen ähnlicher Couleur mit einem Schnitt von 32,4 Jahren deutlich älter seien.

Die Veranstalter waren dem Verein von Anfang an wohlgesonnen

Die Polizei bestätigt, dass die Zahl der Einsätze in den vergangenen Jahren – trotz Polizeistreifen und Drogenfahndern in zivil auf dem Gelände – „eher gering“ gewesen sei. Auch bei Kontrollen vor dem Festival habe man weniger Verstöße festgestellt, als bei vergleichbaren Events. Drogen konsumiert werden im Schloss trotzdem. Und damit gehen die Festival-Macher offensiv um.

Deshalb ist seit der ersten Auflage der Verein Take aus Stuttgart mit einem Infostand auf dem Festivalgelände vertreten. Der 2015 gegründete Verein will die Risikokompetenz im Umgang mit Drogen fördern und informieren.

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Bei vielen anderen Veranstaltern sei die Skepsis zu Beginn groß gewesen, einen solchen Infostand zuzulassen, sagt Philipp Weber von Take. Die Befürchtung: Das Image könnte Schaden nehmen. Beim Electrique Baroque hingegen hat der Stand, an dem Flyer zu den gängigen Partydrogen und Warnungen vor gefährlichen Pillen ausliegen, seit der ersten Auflage einen festen Platz. „Vorbildlich“, nennt Weber das.

Röhrchen zum Schnupfen statt dreckiger Geldscheine

Dem 34-jährigen Sozialpädagogen und seinen zwei hauptamtlichen Kolleginnen ist daran gelegen, die Festivalbesucher so sicher wie möglich durch den Tag zu bringen. Take verteilt Ohrstöpsel gegen laute Musik und Kondome für geschützten Geschlechtsverkehr, außerdem liegen Röhrchen zum Schnupfen von Pulvern bereit. Das sei immerhin besser, als die Drogen durch einen dreckigen Geldschein zu ziehen, sagt Weber.

Was den sicheren Drogenkonsum auf Festivals und in Clubs anbelangt, würde der Verein, für den auch 28 Ehrenamtliche arbeiten, gerne noch weiter gehen, und Nutzern anbieten, die weißen Pülverchen und bunten Pillen auf deren Inhaltsstoffe zu testen. Denn die meisten wissen nicht, was genau sie zu sich nehmen.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde herrscht Gewissheit

Das Prinzip des sogenannten Drug-Checkings ist simpel: Nutzer geben eine kleine Menge ihrer Drogen ab, diese werden chemisch in ihre Bestandteile zerlegt. 30 bis 45 Minuten später erfahren die Nutzer, womit ihr Kokain gestreckt wurde und wie hoch die Ecstasypille dosiert ist. In Deutschland scheitern diese Tests allein schon daran, dass die Tester gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen würden, wenn sie die Drogen an sich nähmen. Weitere Argumente gegen die Tests sind, dass der Konsum durch sie verharmlost würde und man dem Nutzer einen Persilschein ausstelle. „Mich überzeugt das nicht“, sagt Weber. Nur weil jemand wisse, was er zu sich nehme, münde das nicht im Drogenkonsum. Die Leute, die Drogen nähmen, täten das so oder so.

Drug-Checking sei Festivalbesuchern durchaus ein Bedürfnis, berichtet Weber von seinen Erfahrungen. Auf dem Electrique Baroque erreicht Take bis zu zehn Prozent der Besucher, in Clubs sogar bis zu einem Drittel der Gäste. Mehr als auf die gefährlichen Pillen hinzuweisen, die die Drogentester in Österreich und der Schweiz identifiziert haben, kann der Verein aber nicht tun.