Die Bundesregierung hat sich beim Infrastrukturausbau für die Elektromobilität viel vorgenommen. Von den anvisierten Zielen ist man aber noch weit entfernt. Vor allem mangelt es an den dringend erforderlichen Stromtankstellen, die flächendeckend zur Verfügung stehen sollen.

Berlin - Verkehrsminister Andreas Scheuer hat aufhorchen lassen, als er am Wochenende zur Förderung der Elektromobilität eine Milliarde Euro zusätzlich im Bundeshaushalt 2020 für Stromtankstellen forderte. Was erst einmal wie ein mutiger Schritt nach vorne klingt, kommt auch einem Eingeständnis gleich, dass viel mehr als bisher passieren muss, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.

 

Warum sind Ladesäulen wichtig?

Um das Klima zu schützen und die Luft in den Städten sauberer zu machen, setzt die Politik darauf, dass Alternativen zum Verbrennungsmotor mit der Zeit die Oberhand gewinnen. Besonders im Fokus stehen dabei Elektroautos, die den Markt bisher aber langsamer erobern als einst erhofft. Neben dem Preis gilt die geringe Zahl von Ladesäulen als ein Hauptgrund dafür. Wer will schließlich riskieren, mit seinem Auto irgendwo zu stranden, wo er oder sie es nicht neu aufladen kann?

Wie viele Ladesäulen sind nötig?

Eine Million E-Autos sollten 2020 auf deutschen Straßen unterwegs sein – das hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel einst als Ziel ausgegeben. Es musste kassiert werden, da aktuell, also ein Jahr vorher, dem Statistischen Bundesamt zufolge gerade einmal 83 175 strombetriebene Fahrzeuge zugelassen sind. Trotzdem haben Wissenschaftler ausgerechnet, dass es bundesweit 33 000 Ladepunkte gebraucht hätte, um für eine störungsfreie Fahrt von einer Million E-Autos zu sorgen. Das entspräche rund 16 500 Ladesäulen, da diese meist mit zwei Ladepunkten versehen sind. Die Politik nimmt – da die erste Zielmarke gerissen wurde – die nächste ins Visier. CSU-Mann Scheuer hat vorgerechnet, dass 2030 zehn Millionen Elektrofahrzeuge nötig sind, damit der Verkehrssektor das Seine zum Erreichen der Klimaziele beiträgt. Um sie mit Strom zu versorgen, wären laut Scheuer 300 000 Ladepunkte notwendig.

Was will die große Koalition schaffen?

„Wir wollen den Aufbau einer flächendeckenden Lade- und Tankinfrastruktur intensivieren“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD: „Ziel ist, bis 2020 mindestens 100 000 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zusätzlich verfügbar zu machen.“ Davon sollen „mindestens ein Drittel“ sogenannte Schnellladesäulen sein, die bisher deutlich teurer sind. Außerdem soll neben den öffentlich zugänglichen Säulen auch die Errichtung privater Ladevorrichtungen gefördert werden. Hier setzt auch Scheuers Milliardenforderung an, der „für die Bürger Ladepunkte und deren Einbau in der eigenen Garage zur Hälfte fördern“ will. Dafür braucht er nach Angaben seines Ministeriums 700 Millionen Euro. Mit den übrigen 300 Millionen soll das bestehende Förderprogramm für öffentliche Säulen in gleicher Höhe verlängert werden.

Wie ist der aktuelle Stand?

Scheuers Offensive hat auch damit zu tun, dass die ehrgeizigen Ziele nur mit mehr Tatkraft erreicht werden können. Den Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft zufolge gab es im vergangenen Dezember 16 100 Ladepunkte in Deutschland. Auf dem Weg zu 100 000 zusätzlichen Punkten bis nächstes Jahr bleibt somit noch viel zu tun. Einer Sprecherin zufolge hat das Verkehrsministerium über ein Förderprogramm 15 953 Ladepunkte bewilligt, von denen bisher nur 1033 in Betrieb gegangen sind. Zusammen mit weiteren 11 000 Förderanträgen, die bereits auf dem Tisch liegen, kommt sie damit auf rund 42 000 Ladepunkte, die fertig, genehmigt oder beantragt sind. „Es gibt eine Dynamik“, sagt sie, um selbst einzuräumen, dass sie „noch intensiviert werden muss“.

Wie sieht es im Südwesten aus?

In Baden-Württemberg gibt es 2525 Ladepunkte für Elektroautos. Aktuell fördert die Landesregierung „in einem Zehn-mal- zehn-Kilometer-Raster ein flächendeckendes Sicherheitsladenetz“ für Elektrofahrzeuge“. Laut dem Stuttgarter Verkehrsminister Winfried Hermann wird der Südwesten „als erstes Bundesland noch dieses Jahr eine wirkliche Flächendeckung erreichen“.

Woran hapert es?

Auch im baden-württembergischen Verkehrsressort weiß man, dass Geld allein nicht glücklich macht. „Neben den finanziellen Anreizen sind aber insbesondere auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel eine Anpassung im Miet- und Wohneigentumsrecht, bei der Errichtung von Ladeinfrastruktur entscheidend.“ Hierfür ist Bundesministerin Katarina Barley (SPD) zuständig, die am Montag ankündigte, die nötigen Gesetzesregelungen schaffen zu wollen, damit etwa unklare Zuständigkeiten in Mehrfamilienhäusern nicht die Installation von Ladesäulen verhindern. Das Bundeswirtschaftsministerium wiederum ist mit der nationalen Umsetzung der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie befasst, die bei neuen und grundlegend sanierten Wohngebäuden mindestens eine Pflicht zur Verkabelung oder gleich die Installation einer bestimmten Anzahl von Ladepunkten vorsieht. Allerdings hat man dafür bis März 2020 Zeit. Der Bundesverband eMobilität hat Scheuers Vorschlag aus diesem Grund als „grotesk“ bezeichnet, da man seit vier Jahren über diese rechtlichen Rahmenbedingungen rede, aber noch keinen Schritt vorangekommen sei.