Unser Elektroschrott landet nicht immer im Recyclingmüll, wo er hin gehört. Journalisten verfolgen die Spuren von defekten Fernsehern. Eine GPS-Jagd sondergleichen.

Stuttgart - Kaputte Fernseher landen nicht immer auf unseren Recyclinghöfen. Wo dann? Das wollten die Journalisten des Recherche-Startups Follow the Money wissen und schickten vier Röhren-Fernseher mit eingebauten GPS-Sendern auf eine unbestimmte Reise. Vier Fernseher, vier unterschiedliche Entsorgungswege: die Rechercheure suchen Kleinanzeigen im Internet („Kostenlose Abholung auch von defekten und kaputten Geräten. Bei uns müssen Sie nichts bezahlen.“), beauftragen Entrümpler, bringen Geräte auf den Wertstoffhof oder „übergeben sie den davorstehenden Schrottgeiern, die auf Verwertbares hoffen“, erzählt Marcus Pfeil, Mitbegründer von Follow the Money.

 

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Ein vierköpfiges Team reist dem Fernseher nach, der per Kleinanzeige verkauft wird. Ein Händler holt ihn aus einer Wohnung in Hamburg ab. Das Gerät landet bei einem Zwischenhändler, ein Hauptumschlagplatz für Elektroschrott im Norden. Am nächsten Tag geht die Reise weiter nach Hamburg-Wilhelmsburg. Zwischenstation bei einem Spediteur. Dann: 15 Tage lang kein Signal. Der Sender ist so eingestellt, dass er sich nur bei Bewegung meldet. Ein paar Tage später wird der Fernseher auf ein Containerschiff verladen. Von dort kann das Gerät keine Signale senden, die dicken Stahlwände machen es unmöglich. Erst als der Fernseher an Land ist, hat das Team wieder Kontakt: 41 Tage nachdem der Entrümpler das Gerät in der Hamburger Wohnung abgeholt hat, ist der defekte Fernseher in Afrika angekommen. In Tema, dem Hafen der ghanaischen Hauptstadt Accra, 5500 Kilometer von Hamburg entfernt. Dabei ist der Export von kaputten Fernsehern in andere Staaten, die nicht der OECD angehören, verboten.

Die Reporter kaufen das Gerät zurück

Wenige Tage später, in Accra-Stadt, kauft ein Händler das Gerät, bezahlt 27 Euro dafür. Eine Reparatur, so die Rechercheure, würde ihn 7,50 Euro kosten. „Uns hat es gewundert, dass der Fernseher nicht in einem Laden verkauft wurde, sondern direkt von der Straße weg“, sagt Pfeil. Zwei Tage später: das Signal kommt aus Agbogbloshie. Accras Müllhalde am Meer ist ein Friedhof für europäische Elektrogeräte. Einst war es ein Brutgebiet für europäische Zugvögel. Heute soll der Ort zu den zehn am meisten verseuchten der Welt gehören – kontaminiert mit großen Mengen an Blei, Cadmium, Quecksilber. Doch es war falscher Alarm, die Journalisten orten nochmals das Signal, es kommt vom nahe gelegenen Busbahnhof. Weitertransport nach Dambai, 350 Kilometer nördlich von Accra gelegen.

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Die Reporter erfahren: der Fernseher hat noch zwei Mal für Geld den Besitzer gewechselt. Sie kaufen ihn für 100 Euro zurück. Reise beendet: Nach 77 Tagen und 2600 Funksignalen. Pfeil und sein Team konfrontieren die Beteiligten mit der Geschichte: „Interessant war, dass die Menschen kein Bewusstsein dafür haben, etwas Umweltschädliches zu tun. Es wird eher als Systemversagen gesehen, aber den einzelnen Bösewicht, den gibt es nicht“, erzählt Pfeil. Der Fernseher, den die Journalisten bei einem offiziellen Wertstoffhof abgegeben hatten, landete übrigens in Nigeria. Aber das ist eine andere Geschichte.