Bei Handys soll es künftig nur noch eine Sorte Ladekabel geben. Kunden können dann Geräte auch ohne Netzstecker kaufen. Warum der Branchenverband Bitkom dennoch den EU-Vorschlag kritisiert.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Stuttgart - Jeder kennt den Ärger mit Ladekabeln. Ob im Büro, Auto, ob unterwegs oder zu Hause: Es fahren viele Ladekabel herum, das richtige ist fast immer schwer zu finden. Die EU-Kommission will jetzt für Abhilfe sorgen. Künftig soll es nur noch eine Sorte Ladekabel für alle neuen Handys, Tablets und andere Elektronikgeräte geben. Diese Regelung dürfte frühestens im Jahr 2024 EU-weit in Kraft treten. Ein Überblick:

 

Wie sieht das Standard-Kabel künftig aus? Vorgeschrieben wird, dass am Gerät der Ausgang für das Kabel ein sogenannter USB-C-Anschluss ist. Damit ist klar, dass sich die Regelung vor allem gegen Apple richtet. Apple-Geräte haben Lightning-Anschlüsse. Fast alle anderen Hersteller verwenden bereits den USB-C-Anschluss. Das gleiche Kabel soll auch für Tablets, Kopfhörer, mobile Spielekonsolen und Lautsprecher passen.

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Was schlägt die Kommission noch vor? Dem Kunden steht es künftig frei, ein Gerät ohne Netzteil zu kaufen. Das Ladekabel gibt der Händler weiterhin mit. Der Kunde kann dann vorhandene Netzteile für neue Geräte nutzen. Zudem will die Kommission die Technologie zum Laden der Geräte vereinheitlichen. Damit soll die Praxis einiger Hersteller beendet werden, die die Ladegeschwindigkeit reduzieren.

Wird auch das Netzteil reguliert? Noch nicht. Zum Netzteil, das in die Steckdose gesteckt wird und über das Ladekabel die Verbindung zum Handy darstellt, soll der Brüsseler Vorschlag kurz vor Weihnachten kommen, wenn die Kommission die sogenannte Ökodesign-Richtlinie überarbeitet.

Wie ist die Praxis heute? Seit 2009 ist die Kommission mit den Herstellern im Gespräch, seitdem wurde die Zahl der Ladekabel bereits von 30 Modellen auf drei reduziert. Lange Zeit war es üblich, dass bei jedem Handykauf ein neues Ladekabel und ein Netzteil erworben wurde und natürlich auch vom Kunden bezahlt werden musste. Bei Handys einiger Hersteller wird heute bereits nur das Ladekabel dazu gegeben. Ein Netzteil muss dann bei Bedarf gekauft werden. Heute passen etwa bei Apple-Handys die Ladekabel nicht zu früher erworbenen Netzteilen.

Was verspricht sich die Kommission? Die Verbraucher sollen jährlich 250 Millionen Euro sparen – weil sie nach der Vereinheitlichung keine unnötigen Ladegeräte mehr bezahlen müssen. Derzeit geben Verbraucher in der Europäischen Union insgesamt 2,4 Milliarden Euro für Netzgeräte aus. Außerdem soll weniger Elektroschrott anfallen. Die Kommission hat errechnet, dass von derzeit 11 000 Tonnen Elektroschrott an Ladekabeln und Netzgeräten im Jahr 1000 Tonnen eingespart würden. Im vergangenen Jahr wurden EU-weit demnach 420 Millionen Handys und andere tragbare elektronische Geräte verkauft. Im Schnitt besitzt jeder EU-Bürger drei Ladegarnituren für seine Mobiltelefone, tatsächlich benötigt er davon aber nur zwei.

Wann greift die Regelung? Wie bei jedem Vorschlag der Kommission muss dieser erst vom Parlament und vom Gremium der Mitgliedstaaten (Ministerrat) beschlossen werden. Es ist auch damit zu rechnen, dass die beiden Co-Gesetzgeber den Vorschlag der Kommission im Laufe des Verfahrens noch abwandeln. Endgültig beschlossen dürfte der Vorschlag bis Mitte nächsten Jahres sein, EU-Gesetzeskraft wird er aber erst nach einer 24-monatigen Übergangsfrist erlangen.

Wie wird der Vorschlag im Parlament aufgenommen? Er wird durchweg begrüßt. Anna Cavazzini (Grüne), Chefin des Binnenmarktausschusses, sagt: „Endlich setzt sich die Kommission gegen Apple und Co durch. Auf Freiwilligkeit der Hersteller zu setzen hat sich nicht bewährt.“ Evelyne Gebhardt (SPD) sagte: „Die Industrie hatte mehr als ausreichend Zeit, sich auf einen gemeinsamen Standard zu einigen.“ Jetzt müsse der Gesetzgeber aktiv werden, so Gebhardt weiter. Auch Andreas Schwab (CDU) begrüßt die Vereinheitlichung: Sie sei nicht innovationshemmend. Im Gegenteil, die Standardisierung beim Ladekabel verlagere den Wettbewerb auf die Endgeräte: „Mit der Einführung des einheitlichen Ladekabels können wir den Wettbewerb fördern“, sagt Schwab.

Was sagt die Branche? Der IT-Verband Bitkom sieht den Vorschlag kritisch. Er verweist darauf, dass schon heute Hersteller nicht mehr das Netzteil automatisch mit verkauften. Vorübergehend könne die Regelung zudem sogar für noch mehr Elektroschrott sorgen. Durch den geplanten Eingriff aus Brüssel könne ein beträchtlicher Teil von Verbrauchern ab 2024 die alten Ladekabel nicht mehr nutzen und müsse neue anschaffen. Zudem gehöre dem kabellosen Laden ohnehin die Zukunft. „Hier sind etliche Hersteller bereits weiter als die Politik“, sagt Bernhard Rohleder von Bitkom.