Für die Daimler-Mitarbeiter ist es eine gute Nachricht: Künftig sollen in dem Werk, in dem die E- und die S-Klasse vom Band laufen, auch die Elektrofahrzeuge der Ober- und Luxusklasse produziert werden.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Ergun Lümali hat die ein oder andere schlaflose Nach hinter sich. „Wir haben jetzt wirklich einige Nächte hart durchverhandelt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende des Daimler-Werks in Sindelfingen unserer Zeitung. Der nun gefundene Kompromiss versetzt ihn geradezu in euphorische Stimmung: „Heute ist ein historischer Tag für den Betriebsrat, den Konzern und die Region, weil wir eine völlig neue Fahrzeuggeneration für Sindelfingen vereinbart haben.“

 

Daimler und seine Arbeitnehmervertreter haben sich darauf verständigt, dass in Sindelfingen künftig auch Fahrzeuge der neuen Elektromarke EQ vom Band laufen sollen. Wann das erste E-Auto in Sindelfingen in Produktion geht, sei indes noch unklar, so Lümali. Die Produktionszusage sei insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass die Mitarbeiter verunsichert seien durch diverse Erhebungen zu der Frage, wie sich etwa das Thema Industrie 4.0 oder die Digitalisierung auf die Beschäftigung in der Autoindustrie auswirke, sagte Lümali. Die Betriebsvereinbarung umfasst neben der Fertigung der neuen Elektrofahrzeuge auch die Produktion der Nachfolgebaureihe der aktuellen E-Klasse.

Die Produktionsstrategie von Daimler sieht vor, künftige EQ-Modelle in die Serienproduktion der bestehenden Mercedes-Benz Werke auf vier Kontinenten zu integrieren. „Mercedes-Benz Cars setzt seine Offensive für die Produktion von Elektrofahrzeugen innerhalb des weltweiten Produktionsnetzwerks fort“, sagte Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer. Dies reduziere den Investitionsbedarf deutlich.

In Bremen läuft die Produktion des Elektro-SUV Ende 2018 an

„Mit Bremen, Rastatt, Sindelfingen und dem smart Standort Hambach verfügen wir nun über vier Kompetenzzentren zur Produktion von Elektro-Fahrzeugen“, sagte Schäfer. Der Betriebsrat begrüße die Entscheidungen sehr, erklärte auch Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht. Die deutschen Werke müssten an der Elektrostrategie des Unternehmens teilhaben. „Es muss klar sein, dass die Arbeitsplätze trotz aller Herausforderungen sicher sind“, ergänzte Brecht und forderte: „Das verlangt Zusagen für Investitionen, für Entwicklungs- und Fertigungsumfänge.“

In Bremen soll Ende 2018 die Produktion des Elektro-SUV der Marke EQ anlaufen. Die Beschäftigten rechnen dort mit einem Produktionsvolumen von 200 Fahrzeugen am Tag. Auf den Markt kommen soll der Elektro-SUV mit einer Reichweite von 500 Kilometern 2019.

In welchem Segment Daimler als nächstes eine elektrische Version auf den Markt bringen will, ist noch geheim. Nähere Informationen dazu dürften auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt im September veröffentlich werden. Noch unklar ist, inwiefern das Werk in Rastatt in die Elektrostrategie eingebunden wird. Fast noch drängender als die Frage, woher die Karosserie der neuen Elektroautos ist aus Beschäftigungssicht jedoch die Frage, wer den elektrifizierten Antriebsstrang für die E-Fahrzeuge liefert. Das betrifft vor allem das Motorenwerk in Untertürkheim, in dem mehr als 19 000 Menschen beschäftigt sind.

Untertürkheim will den elektrifizierten Antriebsstrang liefern

„Wir liefern heute ja Motoren, Getriebe und Achsen nach Sindelfingen“, sagt der Untertürkheimer Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Nieke. „Warum sollen wir in Zukunft nicht auch eine Batterie mit einem elektrifizierten Antriebsstrang nach Sindelfingen liefern?“ Dies sei das Ziel, das die Arbeitnehmervertretung in Untertürkheim verfolge. „Und dann geht es um die Frage, was wir von dem Antriebsstrang selbst machen und was zugekauft ist.“ Derzeit befindet sich das Gremium in Verhandlungen mit dem Konzern. Den Motor selbst will Daimler weiterhin aus seinem Joint Venture mit Bosch in Hildesheim beziehen.

„Die Konfliktlinie ist, dass dies nicht zu mehr Beschäftigung führen darf“, sagt Nieke. „Das Unternehmen geht in Untertürkheim nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie in Sindelfingen davon aus, dass die Elektromobilität integriert werden soll.“ In Sindelfingen sollen 125 befristete Arbeitnehmer für ein weiteres Jahr beschäftigt werden. Auch soll in dem größten deutschen Werk ein neues Zentrum für Elektrik/Elektronik entstehen. Der Betriebsrat erklärte sich im Gegenzug bereit, über flexiblere Arbeitszeitmodelle zu verhandeln. Im Werk Bremen werden 150 Leiharbeitnehmer übernommen. Mercedes baut dort zehn Modelle, vor allem die C-Klasse.

Bis 2025 will Daimler mehr als mehr als zehn Elektro-Pkw auf den Markt bringen, drei davon sind Smarts. Daimler investiert in den kommenden Jahren mehr als zehn Milliarden Euro in seine Elektrooffensive.