Das Land Baden-Württemberg startet ein Programm für mehr Sicherheit auf Schulwegen. Die Zahl der Elterntaxis – der Antransport mit dem Auto – soll halbiert werden.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat sich vor Lehrer- und Elternvertretern an der Wilhelmsschule in Stuttgart-Untertürkheim für eine Reform des Straßenverkehrsrechts ausgesprochen. „Vor Schulen sollten eigentlich gar keine Autos fahren. Die Kommunen sollten das Recht erhalten, dort befristet die Straßen sperren zu können – oder Tempo 10 oder 20 zu verhängen“, sagte der Minister. Hermann, Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) und Staatssekretär Wilfried Klenk (CDU) aus dem Innenministerium hatten die Wilhelms-Schule ausgewählt, um dort das neue Landesprogramm „Movers: Aktiv zur Schule“ vorzustellen. Es beinhaltet ein Beratungs- und Unterstützungsangebot für Schulen und Kommunen mit dem Ziel, die Zahl der Transporte von Kindern im Auto der Eltern – Stichwort Elterntaxi – zu verringern. Das geht einher mit der Schaffung eines sicheren Schulwegs, den die Kinder selbst zu Fuß, per Rad oder Roller schaffen.

 

Der Minister wohnt vor einer Schule

Minister Hermann berichtete, dass er vor einer Schule wohne, täglich den An- und Abtransport von Kindern erlebe und sich über die Elterntaxis ärgere: „Da tun Eltern ihren Kindern nichts Gutes.“ Hermann sprach sich dafür aus, „Absetzplätze“ für mit dem Auto gebrachte Kinder in einem Mindestabstand von 300 Metern zur Schule anzulegen. Bewusst ist den Verantwortlichen aber, dass viele Eltern ihre Kinder aus Sorge vor Gefahren lieber im Auto bringen. Gleichzeitig erhöhen sie selbst mit ihren Autos die Unfallrisiken.

Gefährliche Straßen im Stadtteil

Die Wilhelmschule ist eine Grundschule mit 300 Kindern. Rektorin Tanja Czisch, sagte, dass es in Untertürkheim einige viel befahrene und gefährliche Straßen gebe, die Kinder queren müssten. „Fünf bis zehn Prozent der Eltern bringen die Kinder mit dem Auto. Witterungsbedingt kann das auf 20 Prozent ansteigen.“ Mit der Ausbildung und dem Einsatz von 50 Verkehrslotsen – ehrenamtlich tätige Eltern – sowie der Gründung von Laufgemeinschaften, genannt „Laufbusse“, mit bis zu 16 Schülern hat die Schule versucht, die Schulwegsicherheit zu erhöhen. „Wir bräuchten aber mindestens drei sichere Fußgängerüberwege, also Zebrastreifen, in unserem Umfeld“, sagte die Elternbeiratsvorsitzende Antonietta Jost.

Mehr Zebrastreifen?

Aber Zebrastreifen durchzusetzen ist nicht so einfach. Seit Jahren forderten die Verkehrsminister der Länder, dass man den Kommunen hier mehr Spielraum gebe, so Winfried Hermann. Die rechtlichen Anforderungen dafür seien aber sehr hoch.

Berater sind landesweit tätig

Wie man einen Zebrastreifen durchsetzt, könnte Teil der landesweiten Beratung sein, die mit dem Programm „Movers“ nun anlaufen soll, sagte Sandra Holte von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg. Sie koordiniert das gut 1,2 Millionen Euro teure Vorhaben. 20 Berater seien bereits ausgebildet, 60 sollen folgen – nicht zuviel für Baden-Württemberg, das 5000 Schulen hat. Die Jobs der Berater sind so skizziert: Sie sollen bei der Erstellung von Schulwegeplänen helfen, ebenso wie bei der Schaffung von Bike-Pools an Schulen, der Einrichtung von Radabstellplätzen, der Durchführung von Veranstaltungen wie dem Stadtradeln sowie bei der Planung von Straßen- oder Wegebauvorhaben für einen sicheren Schulweg.

Die Hälfte weniger Elterntaxis

Ministerin Schopper verknüpft mit dem Programm die Erwartung, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler selbstständig zur Schule kommen. „Der tägliche Fuß- oder Radweg hilft den Kindern, selbstbewusster und sicherer im Verkehr zu werden. Er hält sie fit, fördert die körperliche Entwicklung.“ Ziel sei, die Zahl der Elterntaxis – derzeit entfallen landesweit 20 Prozent auf den Transportweg – bis 2030 zu halbieren.

Unfallzahlen steigen wieder

Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Verkehrsklubs VCD und der Bildungsgewerkschaft VBE haben 17 Prozent der befragten Eltern angegeben, ihre Kinder zur Schule zu fahren. 60 Prozent der Grundschullehrer hätten gesagt, dass sie wegen der Elterntaxis schon gefährliche Situationen vor der Schule beobachtet hätten. Auch in der Wilhelmsschule kam es vor kurzem zu einem Unfall. Rektorin Czisch berichtet von einem Zweitklässler, der in ein Auto rannte und sich ein Bein brach. Das Auto sei kein Elterntaxi gewesen und es sei langsam gefahren: „Aber Kinder rennen manchmal einfach los.“ Landesweit gab es von 2017 bis 2019 im Durchschnitt jährlich 502 Schulwegunfälle, dabei sind im Schnitt 82 Kinder schwer verletzt worden. Im Lockdown der Coronajahre 2020 und 2021 sanken die Zahlen drastisch, jetzt steigen sie wieder merklich an.