Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron greift mit seiner Bewegung en Marche frech nach der Macht.

Paris - Festigkeit zählt zu seinen Markenzeichen. Aber was sich am Donnerstag auf den Gesichtszügen des französischen Regierungschefs abzeichnete, war mehr als Festigkeit. Mit versteinerter Miene verfolgte Manuel Valls von der Ehrentribüne aus die alljährlich am Nationalfeiertag veranstaltete Militärparade. „Es ist Zeit, dass das alles aufhört“, hatte der Premier zuvor gesagt. Womit er allerdings nicht den Aufmarsch leicht beschürzter neuseeländischer Maori-Krieger oder schwer bewaffneter französischer Marinesoldaten gemeint hatte, sondern die provokanten Auftritte seines Wirtschaftsministers Emmanuel Macron.

 

Der parteilose frühere Banker greift entschlossen nach der Macht. Anfang April hatte der 38-Jährige die Bewegung „En Marche!“ (was so viel heißt wie: marschierend, unterwegs oder auf dem Weg) gegründet und sich so eine eigene politische Basis geschaffen. Seitdem demonstriert er ideologische Unabhängigkeit, meldet Führungsansprüche an, am unverhohlensten am Dienstagabend, als er sich als Kandidat für die im nächsten Frühjahr stattfindenden Präsidentschaftswahlen in Position brachte. „Nichts wird diese Bewegung („En Marche!“) aufhalten können, sie wird bis ins Jahr 2017 tragen, bis zum Sieg“, kündigte der Politiker an. Mehr als 3000 Anhänger quittierten die Vorhersage mit tosendem Applaus, skandierten „Macron Präsident“.

Frischer Wind in muffigem Gefüge

Was Valls als Verrat verübelt, wird anderswo als frischer Wind wahrgenommen, der durchs muffige sozialistische Parteigefüge bläst. Macron empfiehlt sich als der Moderne verpflichteter Erneuerer. Ohne sich daran aufzuhalten, dass er als Elitehochschulabsolvent und Investmentbanker die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen optimal genutzt hat, präsentiert er sich als jemand, der „außerhalb des Systems steht“. Die Unterscheidung zwischen linker und rechter Politik sei überholt, verkündet er. Es gehe schlicht darum, Frankreich zu verändern.

Wobei sich seine politischen Vorstellungen mit den überkommenen Kategorien gleichwohl gut erfassen lassen. Modern im Sinne Macrons heißt sozialliberal, wobei der Akzent auf liberal sitzt. Die Arbeitsmarktreform der Regierung etwa, die den Unternehmen mehr Flexibilität hätte bringen sollen, dann aber unter dem Druck der Straße weitgehend ausgebeint worden war, scheint dem Minister nun „nicht mehr zeitgemäß“. Modern sind zweifellos die Methoden, mit denen Macron um die Gunst seiner Landsleute wirbt. Ohne Krawatte und ohne Manuskript pflegt er die Bühne zu betreten, sich nach Art des US-Präsidenten Barack Obama in freier Rede an ein überwiegend junges Publikum zu wenden.

Ein überzeugter Europäer

Inhaltlich bleibt Macron meist vage, sieht man einmal davon ab, dass er sich als überzeugter Europäer hervortut. Hollande, der dem eigenmächtigen Treiben des Wirtschaftsministers lange Zeit scheinbar ungerührt zugeschaut hatte, hat das am Nationalfeiertag fällige Fernsehinterview immerhin genutzt, um klarzustellen, dass Macron „die Regeln der Regierung zu respektieren, Solidarität und Teamgeist“ zu beweisen habe. Diese Regeln zu respektieren, heiße, in der Regierung zu bleiben, sie nicht zu respektieren, heiße, nicht dort zu bleiben, hat der Präsident drohend hinzugefügt. Zu mehr wollte sich der Staatschef freilich nicht durchringen. Hinter der Zurückhaltung dürfte die Hoffnung stehen, von der Ausstrahlungskraft des Wirtschaftsministers profitieren zu können, der als Regierungsmitglied ein Publikum bindet, dass Hollande nicht erreicht. Und dann mag sich der ein zweites Mandat anstrebende Präsident sagen, dass dem Emporkömmling Entscheidendes fehlt, um ihm das höchste Staatsamt streitig zu machen: soziales Einfühlungsvermögen.