Weil man den umstrittenen Technikvorstand Hans-Josef Zimmer unbedingt halten will, gibt sich der Konzern bei der Frauenquote das Minimalziel: Null.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Karlsruhe - Es war nur eine Randbemerkung einer kritischen Aktionärin. Dort oben säßen ja ausschließlich Männer, monierte sie bei der Hauptversammlung des Energiekonzerns EnBW und blickte missbilligend zum Podium. Frauen sah man dort tatsächlich keine, die Herren blieben unter sich: der scheidende Chefaufseher Claus-Dieter Hoffmann, der Vorstandsvorsitzende Frank Mastiaux samt den Kollegen Bernhard Beck (Recht), Thomas Kusterer (Finanzen) und Hans-Josef Zimmer (Technik) sowie ein Notar.

 

Was die Kleinaktionärin wohl nicht wusste: es gibt sogar einen Beschluss des EnBW-Aufsichtsrates, nach dem die Führungsriege zunächst frauenfrei bleiben soll. Während beim Land – mit gut 47 Prozent einer der beiden Großaktionäre – gerade um einen möglichst hohen Frauenanteil im neuen Kabinett gerungen wurde, gab der Staatskonzern von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt genau das gegenteilige Signal.

Per Gesetz über die „gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an Führungspositionen“ sind Unternehmen neuerdings verpflichtet, eine „Zielgröße“ für weibliche Vorstände festzulegen. Bis zum vorigen Herbst mussten sie entscheiden, wie viele davon es bei ihnen bis Mitte 2017 geben soll. Unter dem Status quo durfte dieser Wert nicht zurückbleiben, sofern noch keine dreißig Prozent erreicht sind. Formal erfüllte die EnBW diese Vorgabe auch – allerdings nicht wirklich im Sinne des Gesetzes. Man habe „keine Erhöhung und damit „eine Zielgröße von null festgelegt“, steht kleingedruckt in der offenbar wenig gelesenen „Erklärung zur Unternehmensführung“.

Im Aufsichtsrat sind bereits ein Viertel der Mitglieder Frauen

Grundsätzlich hat die EnBW zwar nichts gegen Frauen in Führungspositionen, ganz im Gegenteil. Im Aufsichtsrat habe man den ursprünglich für 2016 angepeilten Anteil von 20 Prozent mit 25 Prozent bereits „sogar übertroffen“, heißt es stolz. Auch sonst achte der Vorstand auf allen Hierarchie-Ebenen auf Vielfalt, mit entsprechenden Vorgaben. Bis Ende 2016 soll der Frauenanteil im Top-Management – direkt unterhalb des Vorstands – von 4,2 auf 7,5 Prozent steigen, im oberen Management von 8,0 auf 10,6. Mit einem eigenen „Frauennetzwerk“ fördere man den Austausch, Mentoren sollen „Potenzialträgerinnen“ Impulse für die weitere Entwicklung geben.

Nur um den Vorstand machen die Frauenförderer vorerst einen großen Bogen? Die bereits 2015 vereinbarte „Null-Lösung“ erfolgte aus Rücksicht auf einen ganz bestimmten Mann: den Technik-Chef Zimmer. Weil nur sein Vertrag im fraglichen Zeitraum bis 2017 zur Verlängerung anstand, wäre er wohl einer Quote zum Opfer gefallen. Bei der Entscheidung über eine weitere Amtszeit Zimmers sei der Aufsichtsrat „nicht mehr frei“, wurde der Verzicht begründet; diese Entscheidungsfreiheit wolle er sich aber erhalten. Im Frühjahr machte das Kontrollgremium dann davon Gebrauch – und verlängerte den Vertrags Zimmers überraschend bis zum Mai 2021, wenn er die Altersgrenze von 63 Jahren erreicht.

Technik-Vorstand Zimmer wird vom eigenen Unternehmen verklagt

Mit ihrer Treue zu Zimmer hatte die EnBW schon zuvor bundesweit Aufsehen erregt. Er ist jener Manager, den der Energiekonzern im Zusammenhang mit dubiosen Russland-Geschäften auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag verklagt hat – und dem sie gleichzeitig nun zum wiederholten Mal das Vertrauen ausspricht. Weder die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mannheim wegen Untreue noch der derweil ausgesetzte Zivilprozess vor dem Landgericht im pfälzischen Landau stand seiner erneuten Berufung aus EnBW-Sicht entgegen. Bei der Hauptversammlung 2016 äußerten sich Aktionäre, wie schon in den Vorjahren, darüber höchst verwundert: Entweder man vertraue ihm oder man verklage ihn – aber beides passe schlecht zusammen.

Es passe sehr wohl, wurde den Kritikern erläutert: Der Aufsichtsrat habe eine Abwägung „aller relevanten Aspekte“ vorgenommen. Dabei sei insbesondere Zimmers fachliche Kompetenz gewürdigt worden. Ergebnis: es liege „im Interesse des Unternehmens“, ihn wieder zu bestellen. Deutlich präziser war dagegen die Auskunft, wie viel Schadenersatz die EnBW denn nun genau von ihm fordere: die beiden Klagen summierten sich auf 87 Millionen Euro.