Ein Ministerium wirbt für Stecker-Solarmodule, ein anderes sieht für Landesgebäude keinen Mehrwert in den Mini-Kraftwerken. Was Energie-Experten zum Nutzen der dezentralen Stromproduktion sagen.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Angesichts des wachsenden Interesses an Stecker-Solarmodulen, mit denen man selbst Strom erzeugen kann, erscheint die Zahl mickrig: In Baden-Württemberg seien etwa 5000 Plug-in-Module bei der Bundesnetzagentur gemeldet, so die Angabe seitens des Umweltministeriums im Land. Für Deutschland werden laut Hochrechnungen rund 25 000 Module angenommen, die angemeldet sind – und jeweils höchstens 600 Watt produzieren. Die Dunkelziffer dürfte jedoch beträchtlich sein. Abgeleitet von den Verkaufszahlen müssten bundesweit bereits bis zu 300 000 Kleinkraftwerke an Balkonen und Fassaden Sonnenstrom einsammeln.

 

Doch wie groß ist der Mehrwert dieser Mini-Kraftwerke wirklich? Die Antwort fällt unterschiedlich aus, auch innerhalb der Landesregierung. Erst vor wenigen Tagen hatte das Umweltministerium bei einem Seminar die Mini-Solarmodule bekannter gemacht. „Stecker-Solargeräte ermöglichen praktischen Klimaschutz, sie eignen sich für Miet- und Eigentümerwohnungen genauso wie für kleine Unternehmen oder soziale Einrichtungen,“ so Konstanze Stein von der landeseigenen Umweltakademie Baden-Württemberg.

Warum Stecker-Module laut Ministerium hier keinen Sinn ergeben

Eben deshalb hatte der SPD-Landtagsabgeordneter Gernot Gruber im Frühjahr 2022 beim Land nachgefragt, ob derlei Stecker-Module auch an landeseigenen Gebäuden installiert werden könnten. „Vor dem Hintergrund der Lastprofile für den Strombedarf landeseigener Gebäude und mit dem Schwerpunkt der Photovoltaik-Ausbaustrategie bei landeseigenen Liegenschaften auf der Ausstattung möglichst aller geeigneten Dachflächen mit PV-Anlagen bis 2030 bietet der Einsatz von Minisolaranlagen keinen Mehrwert“, hieß es unter anderem in der Antwort des Umweltministeriums.

Auf Nachfrage unserer Redaktion nun betont das Umweltministerium, dass dieser Passus aus der Feder des Finanzministeriums stamme. Dessen Sprecherin teilt mit: „Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg betreut hauptsächlich Gebäude, deren Stromverbrauch um einiges höher ist als bei Gebäuden, bei denen Minisolaranlagen typischerweise zum Einsatz kommen.“ Beispielsweise Finanzämter, Polizeidienststellen, Justizvollzugsanstalten oder Hochschulen. „Der Einsatz von Minisolaranlagen bei landeseigenen Liegenschaften ist wegen der PV-Strategie und auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht zielführend.“ Stecker-Module hätten allenfalls Symbolcharakter, so die Sprecherin.

Energieberater findet Symbolcharakter wichtig

Gerade diesen Symbolcharakter findet Hans-Joachim Horn, ein Energieberater der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, wichtig, um mit der Energiewende voranzukommen. Die Mini-Kraftwerke sind aus seiner Sicht grundsätzlich lohnenswert und sinnvoll, „für die Nutzer, aber auch für die Gesellschaft“. Der Strom werde direkt vor Ort produziert, und die Balkon-Kraftwerkchen brächten die Energiewende ins Gespräch. Auch, weil die Nutzer meist ihr Verhalten verändern; viele passen ihren Verbrauch zum Beispiel sukzessive der Wetterlage an.

Trotzdem kann Horn das Argument der Wirtschaftlichkeit im Falle des Finanzministeriums nachvollziehen. Wolle man beim Klimaschutz etwas bewegen, „dann braucht es das effizienteste System“. Da fielen die Stecker-Module nicht entscheidend ins Gewicht. Der Energieforscher Bernhard Wille-Haussmann vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg unterstreicht das. Stecker-Module seien etwas „für Leute, die kein eigenes Dach haben und die in einer Mietwohnung leben“, sagt er. „Aber Ministerien haben eigene Dächer und Fassaden.“ Eines steht für ihn aber fest: Für die Energiewende müssten alle möglichen Flächen genutzt werden.