Der Energiekrisenwinter ist ein Drama in Zeitlupe. Daten helfen, die aktuelle Lage zu verstehen. Wir erklären, welche Werte relevant sind – und wie wir sie aufbereiten.

Digital Desk: Simon Koenigsdorff (sko)

Immer donnerstags um 13 Uhr hält die Bundesnetzagentur Deutschlands Gaskunden den Spiegel vor. Er kommt als Kurvendiagramm daher und zeigt, wie viel Gas in der Vorwoche verbraucht wurde. Nach einem Anstieg infolge der kühlen Witterung Mitte September ist der Gasverbrauch zuletzt wieder leicht gesunken, auf im Mittel 1602 Gigawattstunden (GWh) täglich. Das sind rund 29 Prozent weniger als im Vorjahresmittel.

 

Mit Daten wie diesen wird die Energiekrise zwar nicht kontrollierbar. Doch sie helfen bei der Orientierung – sind aber für Laien teils schwer verständlich. Unsere Zeitung bietet daher einen stets aktuellen Überblick zu den wichtigsten Kennzahlen. In diesem Beitrag beschreiben wir, auf welche Werte es ankommt und wo Sie sie regelmäßig aktualisiert auf unserer Webseite finden.

Wer verbraucht wie viel Gas?

1602 Gigawattstunden (GWh) Gas verbrauchte Deutschland zuletzt pro Tag. Der Wert wird noch steigen, am höchsten ist er meist im Januar mit rund 5000 GWh pro Tag. Im Winter verbrauchen Industrie und Privathaushalte sowie Gewerbe etwa gleich viel, im Sommer ist die Industrie der größte Verbraucher. Ihr Bedarf schwankt weniger stark als der von kleineren Abnehmern.

Industriekunden haben in den vergangenen Wintern bis zu zweieinhalb Mal so viel Gas verbraucht wie im Hochsommer, Haushalte und Gewerbe zehnmal so viel. Das Heizen spielt dabei eine große Rolle. Entsprechend witterungsabhängig ist der Verbrauch der kleineren Kunden: Eine um ein Grad niedrigere Außentemperatur im Winter führt bei ihnen zu etwa sechs Prozent mehr Gasverbrauch. Das hat die Bundesnetzagentur auf Anfrage unserer Zeitung errechnet.

Sparen wir genug?

Importe aus anderen Ländern kompensieren den Ausfall russischer Gaslieferungen nur teilweise. Daher muss Gas gespart werden. Wie gut das gelingt, zeigen Daten der Bundesnetzagentur. Deren Präsident Klaus Müller hatte im August gefordert, Verbraucher müssten „mindestens 20 Prozent einsparen“, um einen Gasmangel im Winter zu verhindern. Damals floss allerdings noch russisches Gas durch die Pipelines.

Derzeit schafft Deutschland das Einsparziel nicht. Seit Jahresbeginn wurden elf Prozent weniger verbraucht als im gleichen Zeitraum der Vorjahre. Die Industrie benötigte zwölf Prozent weniger, Haushalte und Verbraucher neun Prozent.

Wie groß sind die Gasvorräte?

Am Dienstag waren die Speicher zu 95 Prozent gefüllt, zwei Wochen früher als von der Bundesregierung vorgegeben. Das zeigen Daten des Verbands Gas Infrastructure Europe (GIE). Im vergangenen Winter betrug der höchste Füllstand lediglich 72 Prozent. Der mit 43 Terawattstunden (TWh) größte Speicher findet sich im niedersächsischen Rehden. Der einzige Gasspeicher Baden-Württembergs, der dem Markt zur Verfügung steht, liegt in Fronhofen (Kreis Ravensburg), Kapazität: gerade einmal 0,1 TWh.

Die maximale Gasmenge in den deutschen Speichern, rund 245 TWh, entspricht weniger als der Hälfte dessen, was laut Bundesnetzagentur in der vergangenen Heizsaison verbraucht wurde. Orientiert man sich am Durchschnittsverbrauch der letzten Jahre, reichen die derzeit eingespeicherten 233 TWh für acht bis 15 Wochen – falls plötzlich gar kein Gas mehr importiert würde. Das ist derzeit nicht vorstellbar, weil Erdgas ähnlich wie auch Strom in Europa über Ländergrenzen hinweg verteilt wird. Für Süddeutschland ist beispielsweise der österreichische Gasspeicher Haidach wichtig. Umgekehrt ist das Gas in deutschen Speichern nicht automatisch für Deutschland reserviert.

Wo kommt das Gas her?

Die Bundesnetzagentur veröffentlicht tagesscharf und nach Ländern aufgeschlüsselt die importierten und exportierten Gasmengen. Daraus geht hervor, dass Deutschland netto aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden Gas importiert und seit Anfang Oktober so gut wie kein Gas exportiert hat. Das betrifft insbesondere Flüsse nach Tschechien. Dorthin waren dieses Jahr zeitweise mehr als 800 GWh Gas pro Tag geleitet worden. Seit Donnerstag fließt erstmals auch aus Frankreich Gas direkt nach Deutschland.

Wie steht es um die Stromversorgung?

Echtzeitdaten des Verbands der europäischen Übertragungsnetzbetreiber zeigen, wann welcher Strommix in Deutschland erzeugt wird und wann beispielsweise besonders viel teures Erdgas verstromt wird. Je nach Tageszeit, Sonne und Wind stehen unterschiedliche Energieträger zur Verfügung – und auch der Bedarf, der bedient werden muss, steigt tagsüber deutlich an. Deshalb schwankt die Stromerzeugung im Tagesverlauf. Dazu kommt, dass Deutschland je nach Bedarf Strom in Nachbarländer exportiert oder von dort importiert.

Bundesweit liefern Kohle- und Gaskraftwerke derzeit einen erheblichen Teil des Stroms, dazu kommen Windkraft und tagsüber Solarenergie. Im Südwesten wird im Vergleich dazu kaum Gas verstromt, dafür ist das Atomkraftwerk Neckarwestheim ein relevanter Posten in der regionalen Stromerzeugung.