Im Raum Göppingen und im Nachbarlandkreis Esslingen versucht die Primastrom GmbH zurzeit, anderen Energieversorgern die Kunden abzujagen. Die Verbraucherzentrale warnt allerdings vor den Praktiken der Berliner Firma.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Göppingen - Als dieser Tage bei einer Rentnerin im Göppinger Bodenfeld das Telefon klingelt, meldet sich am anderen Ende der Leitung ein Mann, der sich mit den freundlichen Worten „Hallo, hier ist Ihr Energieversorger mit einem tollen Angebot für Sie“ vorstellt. So zumindest gibt die 79-Jährige den Beginn des Gesprächs wieder – und ist sich deshalb sicher, dass der Anrufer ein Mitarbeiter der Energieversorgung Filstal (EVF) ist, von der sie Gas, Strom und Wasser bezieht.

 

Im Laufe des Telefonats wirbt der Anrufer, wie die Frau erzählt, „für günstige Zukunftstarife vor allem beim Strom und beim Gas“. Und um alles möglichst unkompliziert abwickeln zu können, solle sie doch mal kurz die entsprechenden Verträge heraussuchen und ihm die Nummern durchgeben. Zum Schluss verlangt der Gesprächspartner dann noch einen Handykontakt: Für eine SMS, „die Sie dann nur noch bestätigen müssen“, wie er sagt.

Der „Vertrag“ kommt schon nach einer halben Stunde

Keine halbe Stunde später kommt die Textnachricht auch schon. Kurz und knapp ist darin zu lesen, dass der Auftrag erteilt sei, die künftige Versorgung bei der Primastrom GmbH einzurichten und die aktuellen Verträge zu kündigen. Es folgen, ebenso kurz und knapp, die Konditionen, die Laufzeit und ein Bonusversprechen, gepaart mit der Aufforderung „Bestätigen Sie mit Ja“. Dieses einfache „Ja“ als Antwort genügt – und der womöglich unfreiwillige Anbieterwechsel ist vollzogen.

Ein Familienvater aus Ebersbach sowie eine junge Mutter aus Plochingen haben in den vergangenen Tagen ähnliche Werbeanrufe erhalten und bestätigen die Angaben der Göppinger Rentnerin. Auch sie seien während des Gesprächs lange davon ausgegangen, einen Vertreter ihres bisherigen Energieversorgers an der Strippe zu haben, betonen beide. Erst als der Anrufer nach der Handynummer gefragt habe, seien ihnen ernsthafte Zweifel gekommen. „Und als ich dann noch die Preise verglichen habe, war mir klar, dass da was nicht stimmt, weil diese sogar höher waren als zuvor“, erklärt der Ebersbacher.

Bereits die „kalten Anrufe“ sind gesetzwidrig

Dass die Firma Primastrom in der Region zurzeit im großen Stil auf Kundenfang ist, kann Dietmar Zurmühl, der Vertriebsleiter der EVF, zwar nicht bestätigen. „Es gibt solche Versuche aber gerade im Herbst und im Frühjahr immer wieder, ob an der Haustüre oder am Telefon“, fügt er hinzu. Die SMS-Methode kannte er bis jetzt allerdings noch nicht. Und er hält sie für ausgesprochen unseriös. „Solche Anrufe dürfen ja schon mal gar nicht gemacht werden“, stellt Zurmühl klar. Und wenn all das auf diese verdeckte Weise geschehe, könne es gut sein, dass viele Kunden erst im Januar bemerken, dass Strom und Gas auf einmal von einem anderen Anbieter kämen, ergänzt er.

Matthias Bauer, der bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg unter anderem für den Bereich Energieversorgung zuständig ist, bestätigt die Einschätzung des EVF-Vertriebsleiters. Zunächst entfährt ihm allerdings ein „Oh je“, als er den Namen Primastrom hört. Das sei ein dubioser Discount-Anbieter, der sich auf allen möglichen Gebieten und unter mehreren Firmenbezeichnungen bewege, betont der Verbraucherschützer.

Bauer: Diese Form der Kundenakquise ist ein kriminelles Vorgehen

Was die beschriebene Kundenakquise angeht, spricht Bauer sogar von einem „kriminellen Vorgehen“. Diese sogenannten Cold Calls, also kalte, weil überraschende Anrufe seien überhaupt nicht erlaubt, weil daraus untergeschobene Verträge resultierten. „Das ist nicht nur grenzwertig, sondern schlicht gesetzwidrig“, stellt er klar. So umkämpft der Energieversorgungsmarkt auch sein möge, es gebe allgemein verbindliche Regeln. „Umso wichtiger ist es, genau zu prüfen, mit wem man da Geschäfte macht. Im Zweifelsfall sollte man besser die Hände davon lassen, um nachher nicht in die Kostenfalle zu tappen“, warnt der Experte.

Bauer empfiehlt „derartige Gespräche am Telefon erst gar nicht zu führen“. Und schon gar keine Verträge abzuschließen: „Das kann bereits der Fall sein, wenn die Vertragsnummern herausgegeben werden.“ Zumindest müsse auf ein entsprechendes Schreiben, das einige Tage später per Post komme, unbedingt reagiert werden. „Es gibt ein 14-tägiges Widerrufsrecht, das es zu nutzen gilt“, sagt er.

Die Primastrom GmbH wollte zu ihrem Vorgehen bei der Kundenwerbung hingegen keine Stellung nehmen. Trotz mehrmaliger Anfragen unserer Zeitung reagierte die Geschäftsführung nicht.

Tipps der Verbraucherzentrale

Die Verbraucherzentrale Württemberg empfiehlt der Bevölkerung, bei überraschenden Werbeanrufen, ganz gleich welcher Art, den Anrufer freundlich, aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass solche Telefonate nicht legal sind. Führt man ein solches Gespräch dennoch, sollte man auf keinen Fall persönliche Daten wie Bankverbindungen oder Handynummern herausgeben. Das gleiche gilt für Vertragsnummern, da diese allein schon genügen können, um anderweitige Vertragsabschlüsse zu tätigen.

Lässt sich der Angerufene allerdings auf das angebotene Geschäft ein, gilt der Vertrag von diesem Moment an zunächst einmal als abgeschlossen. Maßgeblich ist dennoch die schriftliche Form, die dem Kunden zugestellt werden muss. Hat es sich dieser in der Zwischenzeit anders überlegt, kann er das Papier nicht einfach ignorieren, sondern muss binnen 14 Tagen ebenfalls schriftlich Widerspruch einlegen. Am besten per Einschreiben, empfiehlt die Verbraucherzentrale.