Die Leistung der Meiler, die die Hälfte des EnBW-Stroms produzieren, soll bis zum Jahr 2030 komplett durch Wind- und Wasserkraft ersetzt werden.

Stzttgart - Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) ist mit ihrem Atomanteil von 50 Prozent an der Stromerzeigung in Deutschland vorne. Dennoch hält Vorstandschef Hans-Peter Villis die Bezeichnung Atomkonzern für „absolut falsch“. Er erklärt sich das entstandene Bild damit, dass der Konzern sein bisheriges Engagement beim Ausbau der erneuerbaren Energien der Öffentlichkeit nicht richtig erklärt habe. Geht es nach Villis, dann wird es in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr zu erklären geben. „Wir meinen es ernst, wir haben nicht nur Präsentationsfolien“, sagte der Chef.

 

Die EnBW will die Kapazitäten ihrer vier Atommeiler in Neckarwestheim und Philippsburg bis 2030 komplett durch erneuerbare Energien – Wind und Wasser – ersetzen. In einem ersten Schritt sind hierfür nach Angaben von Villis 4,1 Milliarden Euro Investitionen bis zum Jahr 2014 geplant. Villis stimmt Politik und Öffentlichkeit darauf ein, dass die Energiewende Zeit beanspruchen werde. Denn bei Großprojekten wie Pumpspeicherwerken und Offshore-Windparks vergehen zwischen Planung, Bau und Inbetriebnahme in der Regel fünf bis sieben Jahre. Nach dem Beschluss des Bundestags vom vorigen Jahr wird der Atomausstieg bereits im Jahr 2022 abgeschlossen sein. Die Karlsruher müssen also mit konventionellen Energien, zum Beispiel Kohle und Gas, eine Lücke schließen.

Mit dem Fortschritt nicht zufrieden

Angesichts der Herausforderungen ist Villis mit dem Fortschritt seit dem Verkünden der Energiewende nicht zufrieden. „Es gibt keinen Masterplan für die Energiewende“, kritisiert der EnBW-Chef die Bundesregierung. Er fordert eine Koordinierungsstelle für den Netzbetrieb; dort sollen die Fäden zusammenlaufen zwischen der Politik, den Kraftwerks- und den Netzbetreibern. Villis: „Das Ziel der Bundesregierung, den Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien bis 2020 auf 35 Prozent zu erhöhen, ist sonst in Gefahr.“ Er stellt fest, dass der Enthusiasmus gleich nach dem Atomausstieg mittlerweile „einer realistischen Einschätzung“ gewichen ist.

Der EnBW-Chef fordert die Politik auf, bei den Bürgern stärker für die Akzeptanz von zum Beispiel großen Windrädern zu werben. Dass diese Akzeptanz keine Selbstverständlichkeit ist, macht Villis an einem Beispiel deutlich: Die EnBW hat im Januar 2012 in Schopfloch eine Windkraftanlage in Betrieb genommen, „die fast so hoch ist wie der Kölner Dom“ (Villis). Unabdingbar ist für den Manager, dass parallel zu den neuen Erzeugungskapazitäten die Stromnetze ausgebaut werden.

Gas und Kohle

Die EnBW setzt in den kommenden Jahren auf Gas und Kohle sowie auf die Windenergie, im Meer und an Land. Bald ans Netz gehen soll das Karlsruher Kohlekraftwerk, das mit einer Leistung von 912 Megawatt den Atommeiler Neckarwestheim I (840 Megawatt) übertrifft. Zusammen mit RWE erweitern die Karlsruher gegenwärtig das Steinkohlekraftwerk Mannheim um einen neunten Block (Leistung: 911 Megawatt); die Inbetriebnahme ist für 2014/15 geplant. Ende vergangenen Jahres hat der Aufsichtsrat der Düsseldorfer Stadtwerke, an denen die EnBW mehrheitlich beteiligt ist, den Bau eines Gaskraftwerks in der Stadt beschlossen; Kosten der 630-Megawatt-Anlage: etwa 500 Millionen Euro. Auch in Lubmin/Mecklenburg-Vorpommern prüft die EnBW, ob der Standort für ein Gaskraftwerk in Frage kommt. Auch über Gaisburg in Stuttgart-Ost denken Villis und seine Kollegen nach; gegenwärtig gibt es dort einen Gasspeicher.

Nach der Inbetriebnahme des ersten kommerziellen Offshore-Windparks in Deutschland (Baltic I) im vergangenen Jahr treibt die EnBW auch den Bau von Anlagen an Land voran. Nach Schopfloch wurde auch für den Windpark Berghülen (Alb-Donau-Kreis) die Genehmigung erteilt. Darüber hinaus werden 100 Standorte im Land überprüft, auf denen 400 Windkraftanlagen entstehen können. Einschließlich der Vorhaben außerhalb Baden-Württembergs geht es bei diesen Onshore-Windanlagen um eine Gesamtleistung von 1100 Megawatt. Mit dem Offshore-Projekt Baltic II (288 Megawatt Leistung) hat die EnBW im Herbst begonnen. Geplante Inbetriebnahme: 2013/14.