Der Wunsch nach Energie-Autarkie war selten größer. Es gibt  Lösungen, um selbst Sonnen- und Windkraft einzusammeln. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Spätestens seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine sehnen sich viele Menschen in Deutschland nach Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Das Interesse daran, erneuerbare Energien im privaten Bereich einzufangen, wächst. Wir geben die wichtigsten Antworten auf die Frage, wie das funktionieren kann.

 

Wie kann man auf dem Balkon oder im Garten Energie erzeugen?

Mit Stecker-Solarmodulen kann theoretisch jeder Strom produzieren. Bekannt sind die Privatkraftwerke auch als Balkonmodule, selbst Laien können sie an die Brüstung montieren. Das Modul fängt Sonnenenergie ein und liefert sie via Kabel und normale Steckdose ins Haushaltsnetz. Dann läuft der Stromzähler langsamer, der Haushalt bezieht weniger Energie aus dem allgemeinen Netz. Sonne ist bekanntlich nicht die einzige erneuerbare Energiequelle. In den vergangenen vier Wochen seien bei ihm so viele Anfragen eingegangen wie sonst in vier Jahren, sagt Joachim Sroka, Ingenieur, Zweiter Vorsitzender des Bundesverbands Kleinwindanlagen und ein Pionier auf diesem Feld. Wobei die Privatwindkraft eine Zielgruppe hat: Eigentümer eines Einfamilienhauses mit Garten. Windturbinen auf dem Balkon sieht Sroka kritisch: zu wenig Wind, ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis und eine Frage der Sicherheit.

Wie teuer sind Solarmodul und Windturbine?

Die Preise für ein Balkon-Solarmodul liegen derzeit laut der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zwischen 350 und 700 Euro. In manchen Kommunen gibt es Förderungen. Eine Kleinwindkraftanlage, „die auch wirklich etwas bringt“, wie der Experte Sroka sagt, liegt bei 20 000 bis 25 000 Euro, Montage und Fundament inklusive. Zwar gebe es keine expliziten Förderungen, da es sich aber um sogenannte energieerzeugende Anlagen handele, sollte man es „dringend und auf jeden Fall“ versuchen.

Welche Vorgaben gibt es?

Balkon-Solaranlagen sind grundsätzlich genehmigungsfrei, man braucht kein Okay von der Behörde. Allerdings müssen Mieter den Vermieter fragen, wenn sie das Modul fest verankern wollen, erklärt Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Handelt es sich um eine Eigentümergemeinschaft, muss diese mehrheitlich zustimmen, denn Balkongeländer gehören zum Gemeinschaftseigentum. Die Behörde ist einzubeziehen, wenn das Modul an der Fassade angebracht werden soll. Ziehen Mieter um, dürfen sie das Modul mitnehmen. Zudem gilt: Auf diese Weise darf man maximal 600 Watt produzieren, andernfalls müsste man ein Gewerbe anmelden. Wer sich ein Modul an den Balkon schraubt, muss das beim Netzbetreiber und Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur anmelden. Das geht meist online und ist rasch erledigt.

Wer es vergisst, riskiert allerdings ein Bußgeld. Auch bei Kleinwindkraftanlagen gibt es Vorgaben. Auf dem Balkon oder im Garten sind Aufbauten bis zu zehn Metern genehmigungsfrei, erklärt Joachim Sroka. Für einen Effekt rät der Bundesverband zu Windmühlen jedoch mit mindestens zwölf bis 20 Metern Höhe. Hierfür brauche es dann aber eine Baugenehmigung. Was ihn ärgert: Im Außenbereich, also beispielsweise in Kleingärten, seien Kleinwindanlagen nicht erlaubt. Dabei gebe es dort „ein riesiges Potenzial“.

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Was muss man bei der Installation beachten?

Bei der Installation der Balkon-Solaranlage ist laut Verbraucherzentrale wichtig, dass man nur ein einziges Modul pro Steckdose anschließt, auf Mehrfachstecker sollte man unbedingt verzichten. Um den gewonnenen Gleich- in Wechselstrom umzuwandeln, braucht man einen Wechselrichter. Meist gehört der zum Komplettpaket. Wichtig ist zudem eine Rücklaufsperre beim Stromzähler; falls nicht bereits geschehen, tauscht der Netzbetreiber den Zähler. Bei privaten Kleinwindrädern, die eine gewisse Höhe übersteigen und die im Boden verankert werden, wird man um Hilfe kaum herumkommen, gerade für die Elektronik. „Ich lege dem Gros der Leute nahe, das machen zu lassen“, sagt Joachim Sroka.

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Rechnen sich solche Privatkraftwerke?

Ein Balkon-Modul mit 300 Watt in der Spitze sammelt etwa 200 Kilowattstunden im Jahr ein, das entspricht dem jährlichen Verbrauch von Kühlschrank und Waschmaschine in einem Zwei-Personen-Haushalt. Um die Leistung auszuschöpfen, sollte es verschattungsfrei nach Südwest bis Südost ausgerichtet sein. Zudem sollte man das Nutzerverhalten anpassen: Wenn die Sonne scheint, wird gewaschen, gekocht, gebügelt. Bis sich das Modul amortisiert, dauert es sechs bis zehn Jahre, so die Verbraucherzentrale. Wobei die Frage nach Wirtschaftlichkeit inzwischen vom Wunsch nach Autarkie überlagert werde, sagt die Energieberaterin Tina Götsch. Fakt sei, mit Stecker-Solaranlagen könne man unmöglich autark werden, es sei ein Zubrot, so die Expertin. Wie viel Watt das Panel aktuell produziert, lässt sich über eine smarte Messeinrichtung per Handy überwachen.

Für Windturbinen auf dem Balkon sieht Joachim Sroka jedoch keine schwarzen Zahlen. Sie brächten bei einigermaßen guter Windhöffigkeit 50 bis 100 Watt, „das ist nichts“. Mehr herausholen lasse sich mit größeren Anlagen. Wann sie sich bezahlt machten, hänge von dem Standort und den Windverhältnissen ab. Diese könne man über längere Zeit messen lassen, was meist teuer sei, oder sich von einem Fachbetrieb beraten lassen. Attraktiv sei eine Kombilösung aus Dach-PV-Anlage und Kleinwindrad, dies könne sich nach acht bis zwölf Jahren rechnen.