Solaranlagen dürfen nun prinzipiell auf Gebäuden montiert werden, die unter Denkmalschutz stehen. Das scheint die Nachfrage tendenziell angekurbelt zu haben – wie spürbar ist das?

So bezaubernd die meisten unter Denkmalschutz stehenden Gebäude auch sind, so sehr stellen sie die Eigentümer vor Herausforderungen. In energetischer Hinsicht können die Besitzer beispielsweise nicht frei schalten und walten, wenn dadurch die Charakteristik der Kleinode leidet. Gerade in Zeiten explodierender Gas- und Stromkosten ein gravierender Nachteil. Bedeutend mehr Spielraum schafft seit Kurzem immerhin eine neue Leitlinie des Landes. Demnach dürfen nun Solaranlagen in der Regel auch auf Gebäude geschraubt werden, die von historischer Bedeutung sind. „Wir haben noch keine erste Zwischenbilanz gezogen, aber unser Eindruck von vereinzelten Rückmeldungen ist bislang schon so, dass die neuen Leitlinien wirken“, erklärt Rainer Wehaus, Sprecher im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg.

 

Ein Effekt ist auch in Ludwigsburg spürbar. „Die Nachfrage für PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden hat deutlich zugenommen“, teilt Sprecherin Meike Wätjen mit. Das reiche von der mobilen Photovoltaikanlage für das Balkongeländer bis hin zu großflächigen Lösungen auf ehemaligen Kasernen.

Voranfragen lassen auf weitere Anträge schließen

„Es gibt seit der Lockerung tatsächlich deutlich mehr Anfragen – telefonisch und schriftlich – zu der Möglichkeit von PV-Anlagen“, bestätigt ihre Kollegin Anette Hochmuth in Bietigheim-Bissingen. Drei Genehmigungsanträge seien zudem im Rathaus eingegangen. „Wir rechnen damit, dass in naher Zukunft weitere Anträge folgen werden, da die Voranfragen teilweise schon sehr konkret waren“, erklärt sie.

Anders ist die Lage bislang in Kornwestheim. Eine merkliche Zunahme an Interessensbekundungen habe man nicht beobachten können, berichtet Sprecherin Sandra Hennig. „Eine Anfrage wurde vor Kurzem gestellt und positiv beantwortet. Ansonsten liegen derzeit jedoch keine weiteren Anträge vor“, erklärt sie. Der große Ansturm nach der Lockerung der Vorgaben sei ausgeblieben, verkündete unlängst auch der Marbacher Bauamtsleiter Dieter Wanner im Gemeinderat – und lieferte zugleich eine Begründung hinterher. Die Dächer in der Altstadt, die als Ensemble unter Denkmalschutz steht, seien zerklüftet, durch Fenster, Gauben oder Kamine. Man tue sich also schwer, eine größere zusammenhängende Fläche für Kollektoren zu finden. Dazu komme das Problem der Verschattung bei den meist dicht an dicht stehenden Häusern. „Es hat sich gar nichts geändert, was Anfragen angeht“, lautete sein Resümee.

Anette Hochmuth gibt überdies zu bedenken, dass mit den Erleichterungen kein Freifahrtschein einhergehe. „Es ist und bleibt trotzdem noch eine Einzelfallentscheidung der Baurechtsbehörde“, sagt sie – wenngleich grundsätzlich eine Genehmigung zu erteilen sei. Das gelte aber nicht für Kulturdenkmäler von besonderer Bedeutung. Hier sei es erheblich schwerer für Eigentümer, das Okay zu erhalten. „Für Gesamtanlagen wie die Altstadt Bietigheim besteht die Möglichkeit der Erarbeitung eines Solarkatasters, um dem Thema PV gerecht zu werden. Daran wird derzeit gearbeitet.“

Effizienz als Maßstab

Sie weist ferner darauf hin, dass sich die Strategie durch die Lockerungen nicht ändere. Entscheidend sei, wie sich die größtmögliche Effizienz erzielen lasse. „Es werden also zunächst Gebäude mit PV ausgestattet, die große, geeignete Dächer haben. Das ist bei den Kulturdenkmalen nur in seltenen Fällen gegeben.“ Ihre Kollegin in Ludwigsburg pflichtet ihr bei. Der Nutzen sei der Maßstab für die Ausbaupläne bei den Kollektoren. In Ludwigsburg gebe es zwar knapp 450 Kulturdenkmale. Das sei aber im Verhältnis zu allen Gebäuden in der Stadt „ein sehr geringer Anteil“, erklärt Meike Wätjen. Die Kommune selbst sei Besitzer von 71 Immobilien, die unter Denkmalschutz stehen. Ob sich die Dachflächen für Solarmodule eignen, müsste im Einzelfall geprüft werden. Der Fokus liege derzeit aber ohnehin auf den Flächen, die sich leicht bestücken ließen. Um das Potenzial auszuloten, habe man 324 städtische Gebäude untersuchen lassen. Das Ergebnis: 60 Dächer seien sehr gut für Photovoltaik geeignet, 21 geeignet. „Insgesamt können 30 000 Quadratmeter für Photovoltaik-Anlagen genutzt werden.“ Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wolle man die denkmalgeschützten Gebäude „auf Tauglichkeit überprüfen“.

Möglichkeiten sind überschaubar

In Kornwestheim ist dieser Prozess für die kommunalen Liegenschaften schon abgeschlossen, das Ergebnis ernüchternd. „Neben einer Dachfläche auf dem Galeriegebäude, die auch in einer aktuellen Bestands- und Potenzialanalyse aufgeführt ist, ergibt sich durch die Lockerung nun theoretisch auch die Möglichkeit, auf der südlichen Dachfläche des Rathauses eine PV-Anlage zu installieren. Weitere Gebäude kommen allerdings nicht in Frage“, erklärt Sprecherin Sandra Hennig. Grundsätzlich gebe es auf der Gemarkung aber schon noch viele geeignete Dachflächen für Solaranlagen – auch auf denkmalgeschützten Gebäuden.

Übernimmt das Land eine Vorbildfunktion?

Strom vom Revier
Das Land hat die Vorgaben für PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden gelockert. Doch nutzt es dann auch die Möglichkeiten bei den eigenen Liegenschaften? Sebastian Engelmann, Pressesprecher im Finanzministerium, verweist darauf, dass beispielsweise beim Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen die Mehrzahl der als geeignet eingestuften Flächen tatsächlich mit Kollektoren bestückt werden könnten.

Verfahren
Auch auf dem historischen Gebäude des Finanzamts in Ettlingen sollen Solarmodule verschraubt werden. „Das Einvernehmensverfahren zwischen Vermögen und Bau Karlsruhe und der Stadt Ettlingen ist allerdings noch nicht abgeschlossen“, schränkt Engelmann ein, der zudem herausstreicht: „Ich denke, weitere Gebäude werden in naher Zukunft folgen.“