Deutschlands Stromnetze sind nicht auf die Energiewende ausgelegt. Das soll sich durch den Bau neuer Übertragungsleitungen ändern. Eine zentrale Trasse wird von der Küste bis nach Baden-Württemberg führen – und gar nicht sichtbar sein.

Berlin - Die Vorbereitungen für den Bau der neuen Strom-Autobahn Südlink von Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg und Bayern gehen in die entscheidende Phase. Wie die Netzbetreiber TransnetBW (Stuttgart) und Tennet (Bayreuth) am Donnerstag mitteilten, haben sie ihre Planungen für den Verlauf des Gleichstrom-Korridors vorerst abgeschlossen. In den kommenden Wochen wollen sie ihren Vorschlag bei der Bundesnetzagentur einreichen, die dann über die exakte Trassenführung befinden muss.

 

„Südlink ist das größte Infrastrukturprojekt, das wir bei der Umsetzung der Energiewende planen“, sagte TransnetBW-Chef Werner Götz am Donnerstag in Berlin. Besonders für Baden-Württemberg sei die Trasse von größter Bedeutung: Nach dem Ausstieg aus Atom und Kohle werde das Land ab 2030 zwei Drittel seines Strombedarfs einführen müssen.

Um Ökostrom aus dem Norden Deutschlands störungsfrei in die Ballungs- und Industriezentren des Südens zu bringen, ist der Bau mehrerer neuer Übertragungsleitungen erforderlich. Das bisherige Netz ist schon jetzt an der Grenze seiner Kapazität. Die Engpässe bremsen den Ausbau der Windkraft und damit den Umstieg auf Öko-Energien insgesamt. Um eine Überlastung des bestehenden Netzes mit technischen Kniffen zu verhindern, müssen die Netzbetreiber jedes Jahr viel Geld aufwenden. Zuletzt waren es mehr als eine Milliarde Euro.

Endpunkt bei Heilbronn

Die Südlink-Trasse soll eine Länge von rund 700 Kilometer haben und Strom für zehn Millionen Haushalte transportieren. Sie soll komplett aus Erdkabeln bestehen. Riesige Freileitungsmasten wird es also nicht geben. Politik und Netzbetreiber hoffen, auf diese Weise die Akzeptanz für das Projekt zu erhöhen. TransnetBW und Tennet hatten seit 2017 mehrere Alternativ-Korridore geprüft. Der Verlauf, den sie jetzt vorschlagen, belastet Mensch und Umwelt nach ihrer Einschätzung am wenigsten.

Der neue Korridor soll an den beiden Netzverknüpfungspunkten Brunsbüttel und Wilster in Schleswig-Holstein beginnen. Er führt dann westlich an Hamburg, Hannover und Göttingen vorbei, schwenkt Richtung Eisenach und führt weiter zum Netzverknüpfungspunkt Grafenrheinfeld bei Schweinfurt in Bayern. Einige Kilometer nördlich davon soll ein weiterer Ast Richtung Baden-Württemberg abzweigen. Sein Endpunkt wird Großgartach im Landkreis Heilbronn sein.

Den Planungen zufolge sollen 97 Kilometer der neuen Trasse auf baden-württembergischem Gebiet verlaufen, die letzten 14 Kilometer davon in Schächten der Südwestdeutschen Salzwerke. Hier wären also keine zusätzlichen Tiefbau-Arbeiten notwendig. In Bayern würden 135 Kilometer Kabel verlegt, in Thüringen 78, in Hessen 59, in Niedersachsen 315 und in Schleswig-Holstein 20 Kilometer.

TransnetBW und Tennet gehen derzeit von einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Euro aus, das beide Unternehmen je zur Hälfte stemmen wollen. Im besten Fall soll Südlink 2025 einsatzbereit sein. Dies würde jedoch voraussetzen, dass es keine größeren Verzögerungen etwa durch Klagen gibt und auch die Länder und Kommunen mitziehen. Tennet-Manager Christoph Schulze Wischeler kündigte an, dass die beiden Unternehmen in den kommenden Monaten auf Bürgerversammlungen in Orten entlang des geplanten Trassenverlaufs über die Pläne informieren werden.

Bauern werden entschädigt

Die Bundesnetzagentur wird voraussichtlich Ende 2019 über den tatsächlichen Verlauf der Leitung entscheiden. Womöglich verlangt sie von den beiden Unternehmen Umplanungen. Erst wenn es einen Planfeststellungsbeschluss gibt, kann mit dem Bau begonnen werden. Gebaut würde an mehreren Abschnitten gleichzeitig.

Die Leitung soll aus acht Adern bestehen. Möglicherweise kommt aber eine neue, leistungsfähigere Technologie zum Einsatz, dann würden vier Adern mit jeweils 10 bis 15 Zentimeter Durchmesser reichen. Die Kabel sollen im Erdboden in 1,80 Meter Tiefe verlaufen. Geplant ist zunächst ein Schutzstreifen von 30 Meter Breite, möglicherweise reicht aber die Hälfte. Für die Verlegung würden Gräben gezogen, die anschließend wieder zugeschüttet werden .

Von Nord nach Süd müssen sich die Projektpartner mit den Besitzern von 50 000 Flurstücken ins Benehmen setzen. Die meisten davon sind Landwirte. Sie sollen für etwaige Ernte-Ausfälle während der Bauphase und den Wertverlust ihres Grundes entschädigt werden. Die Trasse ist so geplant, dass sie nicht durch besiedeltes Gebiet führt.