Während die Nachfrage steigt, schrumpft die Zahl der Erzieherinnen: Bei der Kinderbetreuung in Ludwigsburg wird die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit immer größer.

Ludwigsburg - Viele Eltern wissen ein Lied davon zu singen: Da haben sie mit Mühe einen Ganztagsplatz in der Kita ergattert, dann wird ihnen eröffnet, dass sie ihr Kind bis auf weiteres schon am frühen Nachmittag von der Tagesstätte wieder abholen müssen. Ein Beispiel von vielen. Der Grund: Es gibt nicht genug Erzieherinnen, darum werden in vielen Einrichtungen die Betreuungszeiten verkürzt oder – wenn es noch schlimmer kommt – ganze Gruppen aufgelöst. „Langsam wird die Situation prekär“, sagt Ludwigsburgs Erster Bürgermeister Konrad Seigfried. Waren bisher vorwiegend die städtischen Einrichtungen davon betroffen, stünden mittlerweile auch die freien Träger vor kaum lösbaren Personalproblemen. Der Sozialausschuss hat jetzt geänderten Betreuungszeiten und Mehrausgaben für Personal zugestimmt.

 

Die Nachfrage steigt weiter an

Erst im Juli hat Ludwigsburg ein Elf-Punkte-Programm zur Gewinnung von Erzieherinnen verabschiedet, das die Stadt jährlich 750 000 Euro kosten wird. Erste Auswirkungen davon werden wohl erst im nächsten Jahr sichtbar, meint Seigfried. Unter anderem hofft man darauf, dass zum Beispiel Logopäden oder Sozialpädagogen, die sich zu Erziehern umschulen lassen, in größeren Tagesstätten Führungspositionen übernehmen. Nachdem man den Weg für eine angemessene Bezahlung dieser Kräfte freigemacht habe, könnten damit einige offene Stellen wieder besetzt werden, glaubt Renate Schmetz, die Leiterin des städtischen Fachbereichs Bildung und Familie.

Das eigentliche Dilemma lässt sich aber auch so nicht aus der Welt schaffen. „Wir kommen trotzdem immer mehr in eine Zwangslage“, sagt Seigfried und verweist auf die ganz eigene Dynamik bei der Kleinkindbetreuung. Bis 2013, als der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz bindend wurde, ging es vor allem darum, neue Kindergärten zu bauen oder vorhandene zu vergrößern. Doch schon in dieser Phase wurden erste Erfolge immer wieder verwässert, weil in der gleichen Zeit die Nachfrage nach Kindergartenplätzen weiter anstieg. Konnte die Verwaltung bis vor wenigen Jahren noch guten Gewissens davon ausgehen, dass es reicht, für bis zu 40 Prozent der Kleinkinder Plätze zu schaffen, liegt diese Marke jetzt bei 50 Prozent. „Die Nachfrage bei jungen Familien steigt einfach stetig an“, sagt Seigfried.

Dünne Personaldecke

Von 2014 an ist in Ludwigsburg zugleich die Geburtenrate deutlich nach oben geklettert: Nachdem sich die Zahl der Neugeborenen über einen langen Zeitraum bei 800 bis 850 Kindern pro Jahr eingependelt hatte, wurde 2016 die Tausender-Grenze überschritten. Im Rekordjahr 2017 kamen 1136 Kinder zur Welt und auch 2018 waren es immer noch 1032. Um auf diesen Zuwachs zu reagieren, musste Ludwigsburg erneut mehr Räume für die Kleinkindbetreuung schaffen. „Aber wenn wir mehr Plätze schaffen, helfen wir zugleich mit, die ohnehin dünne Personaldecke noch weiter auszudünnen“, sagt Seigfried. Der Fachkräftemangel sei „ein Phänomen, das uns richtig foltert“.

Dass die Zahl der Neugeborenen wieder sinkt, verschafft den Zuständigen eine kleine Verschnaufpause. „Wir sind da mit unseren Prognosen eben auch vom Wohnungsbau abhängig“, sagt Seigfried. Da es aktuell keine Neubaugebiete gebe, zöge es junge Familien ins Umland. Bis zur Mitte der 20er Jahre soll jedoch wieder viel gebaut werden – unter anderem am Fuchshof – was wieder alle Kalkulationen über den Haufen schmeißen könnte. „Darum haben wir eine neue Prognose in Auftrag gegeben“, sagt Schmetz. Anfang 2020 sollen belastbare Zahlen für die weitere Kindergartenplanung vorliegen.

Noch immer gelte die Faustregel kurze Beine, kurze Wege, sagt Schmetz. Darum bemühe sich die Stadt weiterhin, auch in den Stadtteilen – also wohnortnah – Betreuungsplätze zu schaffen. Dennoch liege man etwa in Grünbühl-Sonnenberg oder in der Oststadt unter dem Soll. Durch die Eröffnung neuer Einrichtungen aber werde sich die Situation hier 2020 entschärfen. Dass es in der Kernstadt mehr Zuwachs an Plätzen gebe, sei aber auch für alle gut, meint Schmetz: „Sie dienen als Auffangbecken für Bedarfe, die woanders nicht abgedeckt werden können.“

Mehr Ausbildungsplätze schaffen

Die Mitglieder im Sozialausschuss machten deutlich, dass das Betreuungsangebot für Kleinkinder weiter verbessert werden müsse. Allerdings betonten sie auch, dass die Situation nicht allein von der Kommune gemeistert werden könne. Das Land müsse den Zugang zum Erzieherberuf attraktiver gestalten und freie Träger müssten mehr Ausbildungsplätze anbieten, meinte Bürgermeister Seigfried.