Klinikapotheker schreiben einen Brandbrief an Minister Spahn, weil einer von nur zwei Herstellern Probleme bei der Produktion hat. Das Problem: Viele Medikamente werden in teilweise instabilen Staaten im Ausland produziert.

Berlin - Die deutschen Krankenhaus-Apotheker schlagen Alarm. Das Arzneimittel Oxytocin wird in Deutschland extrem knapp. Das ist keine Kleinigkeit. Der Blutstiller, der aus einem körpereigenen Hormon besteht, wird bei Gebärenden eingesetzt, die eine Blutung erleiden.

 

Nun hat sich der Vorsitzende des Ausschuss Krankenhauspharmazie, Andreas Ameln-Mayerhofer, in einem Brandbrief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gewandt. Darin wird ein „schwerwiegender Lieferengpass“ beklagt. Er sei „besonders brisant, da bei Fehlen dieses Arzneimittels ein Kreißsaal faktisch nicht mehr betrieben werden kann“, weil ein Notfallarzneimittel fehle, heißt es in dem Schreiben Ameln-Mayerhofers, der auch Vorstandsmitglied der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg ist.

„Somit fehlt die Substanz völlig“

Bislang seien die Krankenhaus-Apotheker in der Lage gewesen, den Lieferabriss durch die Verwendung größerer als die im Klinikalltag üblichen Ampullen auszugleichen. Aktuell seien aber auch diese nicht mehr lieferbar. „Somit fehlt die Substanz völlig“, heißt es in dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt.

Der Wirkstoff wird in Deutschland von nur zwei Herstellern angeboten, die sich den Markt praktisch vollständig aufteilen, Rotexmedica und Hexal. Seit Januar kann der Hersteller Rotexmedica wegen Produktionsproblemen nicht liefern. Sein Marktanteil liegt bei 70 Prozent. Der andere Hersteller ist die Firma Hexal, dessen Produktion nur auf einen Marktanteil von 30 Prozent ausgelegt ist. Zudem hat Hexal gerade Probleme mit der zuständigen Kontrollbehörde, der Regierung Oberbayern, weil bei den Packungen, die Hexal vorrätig hat, eine kürzlich notwendig gewordene Ergänzung der Packungsbeilage noch nicht umgesetzt ist. Zudem entsprechen die Kennzeichnungen der Packungen noch nicht den neuesten Sicherheitsbestimmungen, die jede einzelne Packung identifizierbar macht.

Spahn soll „Versorgungsmangel“ feststellen

Die Krankenhaus-Apotheker bitten deshalb das Bundesgesundheitsministerium, offiziell einen „Versorgungsmangel“ festzustellen. In diesem Fall könnten nicht nur die Apotheker ihren Bedarf leichter im Ausland decken. Auch die Regierung Oberbayern hätte dann rechtlichen Spielraum, Ausnahmen von arzneimittelrechtlichen Bestimmungen zuzulassen, die Hexal die Auslieferung der lagernden Bestände zu gestatten. Im Berliner Ministerium laufen intensive Beratungen. Mit einer raschen Entscheidung wird gerechnet.

Lieferengpässe sind ein Dauerärgernisse für Ärzte und Apotheker. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt eine Liste der knapp werdenden Produkte. Auf Anfrage unserer Zeitung teilt das Institut mit, dass die Liste derzeit rund 200 Meldungen umfasst. Dabei sind allerdings auch unterschiedliche Dosierungen desselben Präparats jeweils aufgeführt. Die Liste wird aufgrund der Meldungen durch die pharmazeutischen Unternehmen zusammengestellt. Diese Meldungen sind freiwillig.

Forderung nach nationaler Medikamenten-Reserve

Darüber, ob diese freiwillige Selbstverpflichtung ausreicht, gibt es eine rege Dauerdebatte. In ihrem Schreiben an das Ministerium regen die Krankenhaus-Apotheker an, die Liste „zu optimieren". Eine Liste“mit einem rein informativen Charakter“ sei „nicht zielführend“, heißt es in dem Brief. Es werde dadurch „niemand verpflichtet, den für unsere Patienten teilweise hochriskanten Versorgungszustand zu beheben“. In der Konsequenz würden Ärzte, Apotheker und Patienten „im Regen stehen gelassen“.

Da ein wesentlicher Teil der Geburtshilfe durch Belegärzte sichergestellt wird, sind auch die niedergelassenen Ärzte betroffen. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung im Südwesten, Norbert Metke, sagte unserer Zeitung, es werde Zeit, „dass wir endlich eine nationale Arzneimittelreserve bekommen, die für sechs Wochen die wichtigsten Medikamente bereit hält“.

Metke begründete seinen Vorstoß unter anderem mit dem Hinweis, „dass ein wesentlicher Teil der Arzneimittel in Ländern produziert wird, die politisch nicht so stabil sind, wie wir das in Mitteleuropa gewohnt sind“.