2014 hat Joanna S. ihre Tochter Lara aus Ditzingen nach Polen verschleppt, jetzt bereitet das Ludwigsburger Amtsgericht ein neues Verfahren gegen die Entführerin vor. Dass die Frau tatsächlich nach Deutschland kommt, ist indes mehr als fraglich.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Das Ludwigsburger Amtsgericht bereitet ein neues Verfahren gegen Joanna S. vor. Das hat der Gerichtssprecher Ulf Hiestermann jetzt auf Nachfrage dieser Zeitung bestätigt. Die Polin hatte im Oktober 2014 ihre Tochter Lara von Ditzingen nach Polen verschleppt, obwohl sie nicht über das Sorgerecht für das damals fünfjährige Mädchen verfügte. In dem angestrebten Verfahren soll endgültig entschieden werden, ob die Mutter das Kind an Thomas Karzelek, den deutschen Vater, herausgeben muss. Karzelek kämpft seit zweieinhalb Jahren darum, Lara zurück in ihr Heimatland bringen zu dürfen.

 

Sollte das Ludwigsburger Gericht zu Gunsten des Vaters urteilen, würde damit der jüngste Richterspruch des Amtsgerichts im polnischen Legnica (Liegnitz) aufgehoben. Erst Anfang Mai hatte die polnische Polizei den Aufenthaltsort des Mädchens in Legnica ausfindig gemacht, woraufhin der Vater seine Tochter mehrfach besuchen durfte. Ungeachtet der kriminellen Vorgeschichte der Mutter gaben die Richter das Kind dann aber völlig überraschend in ihre Hände, und seither hat der Vater erneut keinerlei Kontakt zu Lara. „Es ist ein Skandal“, sagt der 46-Jährige, der jetzt eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht und das Auswärtige Amt um Hilfe gebeten hat. „Die Vorgehensweise der polnischen Richter ist eindeutig illegal.“

Die Rechtslage ist kompliziert, und auch in Ludwigsburg kann man die Beschlüsse der polnischen Richter nicht nachvollziehen. „Dass das Kind jetzt an die Mutter übergeben wurde, steht offensichtlich im Widerspruch zu den hiesigen Entscheidungen“, sagt Hiestermann. Immerhin haben die Ludwigsburger Richter das Sorgerecht schon vor geraumer Zeit an den Vater übertragen.

Momentan darf sich die Frau um ihre Tochter kümmern – ganz legal

Lara ist in Deutschland geboren und lebte im Strohgäu, als sich ihre Eltern im Jahr 2011 trennten. Schon kurze Zeit später verschleppte Joanna S. ihre Tochter zum ersten Mal nach Polen, aber nach zehn Monaten gelang es Karzelek, das Mädchen zurückzuholen. In dieser Phase, in der eine Einigung zwischen den Eltern unmöglich geworden war, bekam der Vater in Ludwigsburg das Sorgerecht zugesprochen. Später wurde zudem per einstweiliger Anordnung verfügt, dass die Mutter das Kind herausgeben muss.

Joanna S. reagierte mit Gewalt. Im Oktober 2014 entführte sie Lara erneut, unter Einsatz von Pfefferspray. Später stellte sie sich zwar den deutschen Behörden und kam ins Gefängnis, den Aufenthaltsort ihrer Tochter aber nannte sie nie. Wie sich herausstellte, hatte sie ihre eigene Mutter, also Laras Oma, angewiesen, mit dem Kind unterzutauchen. Inzwischen ist Joanna S. wieder auf freiem Fuß und darf sich nach der umstrittenen Entscheidung des polnischen Amtsgerichts ganz legal um ihre Tochter kümmern. Die Begründung der Richterin in Legnica: Es sei nicht möglich gewesen, Lara ihrem Vater anzuvertrauen, weil sich das Mädchen vor diesem gefürchtet habe.

Der Vater befürchtet, dass seine Ex-Partnerin erneut mit der Tochter untertaucht

Tatsächlich räumt Thomas Karzelek ein, dass die erste Begegnung mit seiner Tochter nach zweieinhalb Jahren schwierig verlaufen sei. Er geht davon aus, dass die polnische Familie Lügen über ihn verbreite. Dennoch habe Lara schon nach wenigen Tagen wieder Vertrauen zu ihm aufgebaut, das jetzt, weil Lara wieder von ihm ferngehalten werde, erneut auf eine harte Probe gestellt werde. Karzelek hat gegen den Richterspruch Beschwerde eingelegt, aber bis sich die nächsthöhere Instanz in Polen mit dem Fall befasst, können bis zu sechs Monate vergehen.

Parallel dazu hofft der Vater auf die Richter in Ludwigsburg, doch wann das dortige Verfahren beginnen kann, ist unklar. Konkret haben die Richter zu entscheiden, ob Lara an den Vater herauszugeben ist, ob also die bereits getroffene einstweilige Anordnung noch immer Bestand hat. Das Urteil wäre auch in Polen bindend, das heißt: Sollte Karzelek den Herausgabebeschluss bestätigt bekommen, müsste die Mutter das Kind an ihn aushändigen. Das Problem: „Dafür ist eine Prüfung des Kindeswohls erforderlich“, erklärt Ulf Hiestermann. Lara müsste also mit ihrer Mutter nach Deutschland kommen, um dort von einem Psychologen begutachtet zu werden.

Niemand weiß, ob sich die Mutter darauf einlässt und der Aufforderung, in Deutschland zu erscheinen, tatsächlich folgen wird. Thomas Karzelek hält das für ausgeschlossen. „Die Kindsmutter lacht doch nur über die deutsche und die polnische Justiz“, sagt der 46-Jährige. Karzelek ist überzeugt, dass Joanna S., sobald es juristisch eng für sie wird, das Recht wieder einmal selbst in die Hand nehmen wird. „Dann taucht sie mit Lara wieder unter – und alles geht von vorne los.“