Justizopfer Harry Wörz will vor Gericht mehr Geld erstreiten, als ihm bisher zusgesprochen wurde. Zum Entschädigungsprozess ist er am Montag mit rund einem Dutzend Unterstützern nach Karlsruhe gekommen und muss sich auch quälend detaillierten Fragen der Richter stellen.

Karlsruhe - Zähes Ringen um eine höhere Entschädigung: Im Kampf um mehr Geld für Justizopfer Harry Wörz hat am Montag vor dem Karlsruher Landgericht eine neue Runde begonnen. Der 49-Jährige aus Birkenfeld bei Pforzheim steht für einen der spektakulärsten Justizirrtümer: Er war 1998 wegen versuchten Totschlags an seiner damaligen Frau verurteilt worden und saß viereinhalb Jahre unschuldig im Gefängnis. Er stritt 13 Jahre vor verschiedenen Gerichten, bis er im Dezember 2010 rehabilitiert wurde.

 

Der erneute Prozess begann für Wörz mit quälend detaillierten Fragen vonseiten der Richterbank zu Bewerbungen im Jahr 1996 und seinen Aussichten auf Jobs als Bauzeichner, zu dem er sich vor seiner Verurteilung weitergebildet hatte. Das ist für das Gericht wegen der Entschädigungsfrage wichtig. Doch es sind Fragen, auf die Wörz nach so langer Zeit nicht immer Antworten wusste.

Wörz: "Hauptsache nicht daheim rumsitzen“

Noch gut vor Augen stand ihm hingegen die Zeit nach dem Gefängnis und seine schwierige Suche nach Arbeit. „Man weiß nicht, wann man dich wieder ins Gefängnis tut“, hätten Arbeitgeber wiederholt gesagt. „Es hing immer alles in der Luft.“ In der Bäckerei, als Staplerfahrer oder als Lagerarbeiter: die wechselnden Jobs, die er nach dem Gefängnis hatte, habe er nur über Freunde und Bekannte bekommen. „Mir war egal, was ich gemacht habe, Hauptsache nicht daheim rumsitzen.“

Zu dem neuen Prozess, der unter großem Medieninteresse stattfand, war Wörz mit seiner zweiten Frau gekommen. Im Publikum saß rund ein Dutzend Unterstützer. „Ich war von Anfang an überzeugt, dass er unschuldig ist“, sagte eine Bekannte. „Fast fünf Jahre unschuldig weggesperrt - das kann man eigentlich nicht mit Geld ausgleichen.“ Umso enttäuschter äußerte sie sich, dass das Land sich knausrig zeige.

Bislang hat der Staat dem Installateur knapp 156.000 Euro zugebilligt. Wörz will vom Land Baden-Württemberg zusätzlich 86 000 Euro für seinen Verdienstausfall. Außerdem verlangt er einen Ausgleich der Kosten für Anwälte und Möbel aus seiner wegen der Haft aufgelösten Wohnung in Höhe von 26.000 Euro (Az.: 10 O 370/14). Schließlich fordert er eine Berufsunfähigkeitsrente über das Jahr 2016 hinaus.

Seit Mitte 2010 krankgeschrieben

Wörz leidet nach eigenen Angaben seit dem Gefängnis unter Schlaflosigkeit und seit zehn Jahren unter Depressionen; seitdem sei er nur noch auf „Notstromaggregat“. Seit Mitte 2010 ist er krankgeschrieben. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe will nicht alle Ansprüche anerkennen und lässt die Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente offen. Wann das Gericht eine Entscheidung trifft, war zunächst unklar.

Wörz war vorgeworfen worden, 1997 seine damals von ihm getrennt lebende Frau mit einem Schal fast zu Tode gewürgt zu haben. Die frühere Polizistin ist heute ein schwerer Pflegefall und kann sich nicht mehr mitteilen. Wer die Tat verübte, wurde nie aufgeklärt. Für Wörz ist das noch immer eine belastende Situation, wie eine Bekannte am Rande der Karlsruher Verhandlung schilderte: Damit Harry Wörz zur Ruhe komme, „müsste der Schuldige gefunden werden“.