Das Landratsamt hat damit gerechnet, dass der Inzidenzwert von 50 überschritten wird. Doch er ist gesunken. Im Klinikverbund hat sich die Zahl der Covid 19-Patienten seit Monatsbeginn vervierfacht.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Am Freitagabend war die Überraschung groß: Der Inzidenzwert für den Kreis Böblingen lag am 16. Oktober bei 43,8 Corona-Infizierten pro 100 000 Einwohner. Noch am Morgen desselben Tages war er laut der Statistik des Gesundheitsamtes bei mehr als 49 gewesen. Das Landratsamt hatte bereits eine Verschärfung der Verfügung zu privaten Feiern und Veranstaltungen vorbereitet. „Jetzt müssen wir abwarten, was am Wochenende passiert“, sagte die Behördensprecherin Simone Hotz. Möglicherweise ist die Zahl nur kurzfristig gesunken. Im Kreis herrscht ein „diffuses Ausbruchsgeschehen“, berichtete sie, größere Ausbruchsherde gab es bislang nicht.

 

Zehn Prozent der Schulen sind betroffen

Von den Schulen im Landkreis Böblingen sind momentan rund zehn Prozent von Corona-Fällen betroffen. Stand Donnerstag wurden an 13 der 122 Bildungseinrichtungen insgesamt 25 Klassen in Quarantäne geschickt. In Böblingen ist die Albert-Schweitzer-Realschule (ASR) komplett geschlossen worden. Dort waren drei Schüler positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die drei sowie ihre Klassenkameraden und Lehrer wurden in Quarantäne geschickt. Weil dadurch viel Präsenzunterricht auch für andere Klassen ausfallen würde, wird der Unterricht der ASH bis zum Ferienbeginn ins Internet verlagert. „Dadurch kann für alle Schüler ein höheres Maß an Unterrichtszeit gewährleistet werden“, teilt die Stadt mit. Auch an zwei Grundschulen haben sich jeweils ein Schüler mit dem Virus infiziert.

In Sindelfingen befanden sich Stand Freitag zehn Klassen von fünf Schulen in Quarantäne. An zwei Kindertageseinrichtungen ist jeweils eine Gruppe nach Hause geschickt worden. Die Stadt veröffentlicht nun einen wöchentlichen Lagebericht, teilt Oberbürgermeister Bernd Vöhringer mit. „Mit großer Beunruhigung beobachten wir, dass die Infektionszahlen auch bei uns in Sindelfingen wieder exponentiell ansteigen“, teilt er mit. Aktuell sind 92 Personen an Covid-19 erkrankt. Auch Bernd Vöhringer rief die Bevölkerung dazu auf, sich an die Regeln zu halten.

Besorgniserregende Entwicklung

Im Vergleich zum Monatsbeginn hat sich die Zahl der stationären Covid-19-Patienten beim Klinikverbund Südwest vervierfacht, meldet Ingo Matheus. In den Krankenhäusern im Kreis Böblingen werden aktuell 16 Corona-Infizierte behandelt, sechs davon befinden sich auf der Intensivstation, drei von ihnen müssen beatmet werden. Hinzu kommen 16 Verdachtsfälle, berichtet der Kliniksprecher.

Zwar ist die Zahl im Vergleich zum April, als mehr als 100 Menschen verbundweit in den Kliniken behandelt werden mussten, und 41 Verdachtsfälle aufgenommen worden waren, noch relativ gering. Aber es wäre „ein fataler Trugschluss“ zu glauben, dass die Situation momentan nicht so schlimm sei, betont Ingo Matheus. Denn während sich in den vergangenen Wochen der exponentielle Anstieg der Infiziertenzahlen innerhalb der Bevölkerung zunächst noch nicht direkt in den stationären Patientenzahlen der Kliniken widerspiegelte, sei spätestens seit dieser Woche ein signifikanter Anstieg der Behandlungszahlen deutlich erkennbar. „Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge und bereiten uns im Hintergrund auf ein Mehr an Patienten vor“, teilt er mit. Anders als im Frühjahr laufen die Behandlung der anderen Patienten und die Operationen momentan ganz geregelt parallel weiter.

Alle sind gefordert, sagt der Landrat

„Wir sind wohl demnächst Risikogebiet“, warnte der Landrat Roland Bernhard am Freitagabend. Sobald der Inzidenzwert von 50 überschritten werde, würden private Feierlichkeiten auf zehn Personen beschränkt, kündigte er an, denn gerade diese Feiern würden oft Infektionsherde darstellen. „Wir sind alle gefordert, mit umsichtigem Verhalten dafür zu sorgen, dass die Pandemie sich nicht weiter verschlimmert“, rief er zum Einhalten der Regeln auf.