Zwei Jahrzehnte lang prägte Karl-Hans Schmid die Entwicklungshilfe-Stiftung des Landes. Sein Nachfolger wirft nach zwei Jahren das Handtuch. Der Übergang in die Zeit nach Schmid ist damit für erste gescheitert – oder gar eine unlösbare Mission?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es gibt wohl nur wenige Institutionen in Baden-Württemberg, die so mit einer Person verbunden sind wie die Stiftung Entwicklungszusammenarbeit. Die SEZ – das war Karl-Hans Schmid, und Schmid war die SEZ. Der promovierte Theologe galt 1991 als treibende Kraft bei der Gründung der bundesweit einzigen Entwicklungshilfe-Organisation auf Landesebene, er führte sie 21 Jahre lang als Geschäftsführender Vorstand, er sammelte unermüdlich Unterstützer und Geld für die Arbeit der Stiftung, die die Entwicklungshilfe-Initiativen vernetzt und koordiniert. Wiewohl selbst CDU-nah, achtete er stets darauf, dass die SEZ parteiübergreifend agierte.

 

Als sich Schmid Ende 2012 altershalber in den Ruhestand verabschiedete, war das eine doppelte Zäsur. Würde es gelingen, fragte man sich, die ganz von ihm geprägte Einrichtung ohne allzu große Brüche einem Nachfolger zu übergeben – und das auch noch unter veränderten politischen Vorzeichen? Grün-Rot nutzte den personellen Wechsel schließlich, um die Entwicklungshilfe neu zu organisieren. Unter Federführung des Europaministers Peter Friedrich (SPD) wurde einiges umgebaut: Im Staatsministerium gab es fortan ein eigenes Referat dafür, zudem wurde ein regelmäßiger Rat für Entwicklungszusammenarbeit etabliert. Die SEZ (neuer Stiftungsratschef: Friedrich) war plötzlich nicht mehr der zentrale entwicklungspolitische Akteur auf Landesebene, sondern nur noch einer von mehreren – wenn auch ein wichtiger. Zu ihren Vorzeigeprojekten gehören die Fair-Handels-Messe oder das Burundi-Zentrum.

Führungswechsel nach 21 Jahren

Die SEZ in die Nach-Schmid-Ära und zugleich in die neue Rolle zu führen, dafür glaubte man den richtigen Mann gefunden zu haben: Rainer Lang (damals 58), zuvor Chefredakteur des Evangelischen Pressedienstes Südwest und Medienchef bei „Brot für die Welt“; für die Katastrophenhelfer war er unter anderem in Haiti, Pakistan und der Sahelregion im Einsatz. Lang bringe „breite Erfahrungen in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe mit“, lobte ihn Friedrich nach der einstimmigen Wahl im Stiftungsrat.

Der Neue betonte seinerseits, in einem so international orientierten Bundesland wie Baden-Württemberg würden die globalen Zusammenhänge immer bedeutsamer. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem „hochprofessionellen und engagierten Team“. Sein Vorgänger Schmid bekundete zum Abschied, er gebe die Verantwortung „gerne und vertrauensvoll in die Hände von Rainer Lang“. Freunde und Förderer sollten der Stiftung bitte weiter verbunden bleiben.

Abschied auf eigenen Wunsch

So harmonisch der Wechsel ablief, so wenig scheint er gelungen zu sein. Dieser Tage verkündete die SEZ den vorzeitigen Abgang ihres Geschäftsführers: Ende März, gerade mal zur Hälfte der Amtsperiode, werde Lang seinen Posten verlassen; er gehe „auf eigenen Wunsch aus persönlichen Gründen“. Minister Friedrich bedauerte die Entscheidung, dankte ihm für sein Engagement und teilte mit, bis zur Neubesetzung der Stelle werde der langjährige SEZ-Mann Klaus Weingärtner die Geschäfte führen. Weitere Erklärungen waren von den Beteiligten nicht zu erhalten.

Richtig ist offenkundig: die Initiative zu der Trennung ging von Lang aus. Aber warum? Im Umfeld der SEZ hört man verschiedene Gründe. Der Schmid-Nachfolger habe die Aufgabe unterschätzt und sei überfordert gewesen, lautet eine Version: Im Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung habe er sich zerrieben, es allen recht machen wollen – und so letztlich viele enttäuscht. Beim Versuch, die eingefahrenen Gleise zu verlassen, habe er leider keinen klaren Kurs gefunden.

Eine fast unlösbare Mission?

Lang habe, besagt eine andere Version, eine fast unlösbare Mission übernommen: nach zwei Jahrzehnten sei die Stiftung durch und durch auf Karl-Hans Schmid gepolt gewesen. Das gelte für die kleine Mannschaft, die sich in der patriarchalischen Führung eingerichtet habe, aber auch für Freunde und Förderer. Es sei Schmids ganz persönliches Netzwerk gewesen, das er der Stiftung nutzbar machte: Ob er zu Besuchen im Vatikan einlud, in den er exzellente Kontakte pflegte, oder zu Benefizkonzerten im Land: hinterher öffneten sich die Geldbörsen.

Seit dem Führungswechsel indes sank das Spendenaufkommen. Dabei bräuchte die SEZ die Zuwendungen mehr denn je: wegen der Niedrigzinsphase sinken auch die Erträge aus ihrem Kapitalstock. Inzwischen darf die Stiftung ihr Geld deshalb, ein wenig risikoreicher, auch in Immobilien anlegen. Lang hätte eben neue Netzwerke knüpfen und neue Geldquellen erschließen müssen, sagen Kritiker. Das sei leichter gesagt als getan, erwidern Fürsprecher; so gelang es etwa nicht, zu den der SEZ möglichen Konditionen einen Experten für Fundraising zu verpflichten.

Die Stelle wird jetzt ausgeschrieben

Schon unter diesen Umständen dürfte es nicht ganz einfach werden, einen neuen SEZ-Geschäftsführer zu finden. Zudem kann die Stelle, die jetzt ausgeschrieben wird, zunächst offenbar nur für den Rest der Vertragslaufzeit besetzt werden – also gut zwei Jahre. Dann, nach der Landtagswahl, werden die Karten womöglich ohnehin völlig neu gemischt. Der Ära Schmid könnte also eine weitere Episode folgen.