Die Tarifparteien im Bauhauptgewerbe erzielen einen Kompromiss – den bisher höchsten Tarifabschluss in diesem Jahr. Im Westen gibt es 5,7 und im Osten sogar 7,4 Prozent mehr Geld. Garant des Erfolgs ist als Schlichter der frühere Bundeswirtschaftsminister Clement.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es ist das bisher höchste Tarifergebnis des Jahres – ausgerechnet am lange Zeit dahinsiechenden Bau. Bereits in der zweiten Verhandlungsrunde der Schlichtung haben die Tarifparteien nach 19 Stunden am frühen Samstagmorgen einen Kompromiss für die mehr als 800 000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe erzielt. Demnach werden die Löhne im Westen rückwirkend zum 1. Mai um 5,7 Prozent erhöht. Im Osten steigen sie gar um 7,4 Prozent in zwei Stufen – ein Schritt zur Angleichung an die Westgehälter. Zusätzlich erhalten die Beschäftigten im Tarifgebiet West zum 1. November 2018 eine Einmalzahlung von 250 Euro, zum 1. Juni 2019 weitere 600 Euro und zum 1. November 2019 noch einmal 250 Euro.

 

Arbeitgeber loben lange Laufzeit von 26 Monaten

„Deutschland verzeichnet ein starkes Wirtschaftswachstum, und die Baubranche nimmt dabei einen Spitzenplatz ein – entsprechend hoch waren die Erwartungen der Beschäftigten an diese Lohnrunde“, argumentierte der Chef der Industriegewerkschaft Bau, Robert Feiger. Der Durchbruch bringe dem Facharbeiter von sofort an 1,11 Euro mehr pro Stunde – pro Monat bedeute dies ein Plus von rund 200 Euro, freute er sich über den „höchsten Abschluss in diesem Jahr“, der der lange gebeutelten Gewerkschaft neues Selbstbewusstsein geben dürfte. Im Gesamtvolumen hat die IG Bau einen Abschluss von 8,45 Prozent erstritten.

Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Uwe Nostitz, lobte die lange Laufzeit von 26 Monaten, die Planungssicherheit gebe. Er bekannte aber auch: „Wir waren uns bewusst, dass die Beschäftigten hohe Erwartungen hatten.“ Dem sei man mit einer guten prozentualen Lohnerhöhung, Einmalzahlungen sowie dem 13. Monatseinkommen nachgekommen. Denn der Schlichterspruch regelt auch den Stufeneinstieg in ein bundesweites 13. Gehalt. Dieses 13. Monatseinkommen wird in manchen Bundesländern zu 55 Prozent gezahlt, in anderen Ländern nur von der Bauindustrie und in wiederum anderen gar nicht. Diese Zersplitterung soll in mehreren Stufen aufgehoben werden.

Hoher Abschluss ist eine Folge des Baubooms

Der hohe Tarifabschluss ist vornehmlich eine Folge des Baubooms, der seit Jahren von den niedrigen Zinsen befördert wird. Der private und der öffentliche Bau zeigen sich derart belebt, dass die Unternehmen kaum noch in der Lage sind, die Bautermine pünktlich abzuwickeln. Immer mehr Investoren lassen mangels attraktiver Anlagealternativen Geld in die Immobilienwirtschaft fließen. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) streben für 2018 einen Rekordumsatz seit 23 Jahren an – die Einnahmen dürften um etwa vier Prozent auf 117 Milliarden Euro steigen.

Nach den gerade veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind die Umsätze im Hochbau im Februar um 7,4 Prozent und im Tiefbau um 10,5 Prozent im Vergleich zum Februar 2017 gestiegen. Alle Wirtschaftszweige des Bauhauptgewerbes verbuchten Zuwächse. Am stärksten stiegen die Umsätze im Bereich Dachdeckerei und Bauspenglerei (18,4 Prozent) sowie im Gewerk Zimmerei und Ingenieurholzbau (15,5).

Garant des Tariferfolgs war als Schlichter Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Der frühere Sozialdemokrat hat schon fünfmal am Bau vermittelt – viermal erfolgreich. Längst hat er, obwohl Verfechter des Hartz-IV-Systems, das Vertrauen der Gewerkschaft. Er präsentierte den Schlichtungskommissionen der IG Bau sowie von ZDB und HDB seinen Kompromissvorschlag, der mehrheitlich angenommen wurde. Clement sprach von einem „Ergebnis, das sich überall sehen lassen kann“. Nun haben die Tarifvertragsparteien 14 Tage Zeit zuzustimmen – dies dürfte aber nur eine Formsache sein.

„Protest trägt zum Umdenken der Arbeitgeber bei“

Daneben wurden weitere Fortschritte erzielt. So gibt es eine perspektivische Lösung für bezahlte Wegezeiten zu den Baustellen. Ferner wird eine Expertenkommission eingerichtet, die über eine Modernisierung des Bundesrahmentarifvertrags diskutieren soll. „Ein solches Paket ist keine Selbstverständlichkeit“, betonte IG-Bau-Vize Dietmar Schäfers. „Die Entschlossenheit der vielen Kollegen auf den Baustellen und die begeisterte Teilnahme am Protest zur ersten Schlichtungsrunde in Berlin haben zum Umdenken der Arbeitgeber beigetragen.“