Klaus Fischer hat aus der Dübelfirma seines Vaters im Schwarzwald einen Global Player gemacht. Ein Gespräch über japanische Philosophie und deutsche Verschwendung.

Im beschaulichen Waldachtal, wo die Natur mit breitem Strich aufgetragen ist, sitzt eines der bekanntesten und innovativsten deutschen Familienunternehmen. Klaus Fischer, der Patron, empfängt in einem geräumigen Büro mit flauschigem Teppich und großen Fenstern, die Weitsicht verheißen.
Es gibt drei Dinge, über die sich Männer immer und überall unterhalten können: Wetter, Fußball und Dübel. Mit was wollen Sie anfangen, Herr Fischer?
Sie machen es mir nicht leicht.

Also gut, Dübel. Wann haben Sie zuletzt einen in der Wand versenkt?
Das ist noch gar nicht so lange her. In den Schulungsräumen habe ich neulich gebohrt und einen neuen Dübel ausprobiert.

Hat er gehalten?
Meine halten immer. Ich gehöre nicht zu denen, die ihre Produkte nur in der Theorie kennen. Mit 18 war ich ein halbes Jahr bei einem Kunstschmied. Das war mein Einstieg ins Handwerk, das hat mich geprägt. Am Ende meines Praktikums habe ich zwei große Fische geschmiedet mit unserem Namenszug drin. Die hat mir mein Lehrherr geschenkt mit der Auflage, sie meinem Vater Artur für 1000 Mark zu verkaufen. Damit konnte ich die erste Zeit meines Studiums finanzieren. Die Dinger hängen bis heute in unserem Salzstettener Werk und halten dort felsenfest.

Halt geben steht im Lexikon nahe bei Haltung. Das Wort ist ein bisschen aus der Mode gekommen. Was braucht ein Unternehmer heute mehr: Haltung oder Buchhaltung?
Zuerst kommt die Haltung. Ein Unternehmer und ein Unternehmen brauchen Werte, an denen man sich orientiert. Bei uns in der Firma gibt es dafür das Leitbild mit den Werten innovativ, eigenverantwortlich, seriös. Jeder Mitarbeiter hat eine Wertekarte, auf der er für sich vermerkt, was er tun kann, um die Werte an seinem Arbeitsplatz umzusetzen und zugleich zur Wertschöpfung des Unternehmens beizutragen.

Und das funktioniert?
Mit 13,8 Patenten pro tausend Mitarbeiter sind wir unter vergleichbaren Unternehmen in Deutschland auf Platz eins. Ideen können nur dort geboren werden, wo die Menschen sich wohlfühlen. Entscheidend für den Erfolg ist weniger das Was und das Wie, entscheidend ist das Wer. Wenn Sie jedem Mitarbeiter eng vorgeben, wie er handeln soll, dann wird er tun, was Sie sagen, aber keine Verantwortung übernehmen. Deshalb bekommen bei uns die Mitarbeiter die Gelegenheit, Dinge selbstständig zu verändern, sie können gestalten, auch Fehler machen, nur den gleichen nicht zweimal. Unsere Vision ist ein Unternehmen mit vielen Unternehmern. Dafür braucht es klare Standards, aber mehr noch Raum für Kreativität und Freiheit. Saint-Exupéry hat das einmal wunderbar ausgedrückt . . .

. . . dann lassen Sie mal hören.
„Wenn du ein Schiff bauen willst, trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.“

Ein deutscher Firmenphilosoph, der französische Literatur zitiert und japanisch denkt?
Ich bin kein Firmenphilosoph, sondern ein Unternehmer, der nicht zu lange im eigenen Erfolg badet, sondern lieber über den Wannenrand hinaus- schaut. Deshalb war ich in den Neunzigern bei guten Unternehmen in Japan und habe die Arbeitsphilosophie von Kaizen studiert. Übersetzt heißt das „Veränderung zum Besseren“. Im Kern geht es darum, Verschwendung zu vermeiden und alles, was nicht wertschöpfend ist, zu eliminieren, um die Kunden zufriedenzustellen.

Das klingt einfach.
Einfachheit ist oft der beste Weg. Wir Deutsche denken manchmal zu kompliziert. Ich wollte die Japaner aber nie kopieren, sondern kapieren. Mir wurde dabei bewusst, dass wir bei uns viel zu viel Ressourcen, Zeit und letztlich auch Geld verschwenden.

Das müssen Sie erklären.
Nach glaubhaften Studien werden in Deutschland von 225 Arbeitstagen im Jahr 88 Tage verschwendet. Darin steckt ein unglaubliches Potenzial. Wir verbringen oft Stunden in viel zu großen Meetings. Wir haben zu weite Wege. Die Planungsvorgänge sind zu aufwendig, wir produzieren zu viel, haben zu hohe Bestände und Lagerflächen. Wir sind oft zu langsam oder zu kompliziert. Ein Beispiel: unsere Spritzgussmaschinen in der Kunststoffverarbeitung müssen häufig umgerüstet werden, weil wir viele unterschiedliche Teile produzieren, auch in kleineren Stückzahlen. Vor einigen Jahren stand die Maschine wegen des Rüstvorgangs mehr als drei Stunden und produzierte nichts. Wir haben das genau angeschaut, Laufwege verkürzt, Prozesse optimiert. Jetzt liegen wir bei unter drei Minuten, sind wesentlich flexibler und produzieren das richtige Produkt in der richtigen Zeit und der richtigen Menge.

Kann man als Chef einer so großen Firma noch nahe bei den Menschen sein?
Man kann nicht nur, man muss. Ich war oft unterwegs bei Firmen, bei Händlern und in Baumärkten. Mit einem Zimmermann habe ich mich beispielsweise über eine Schraube von uns ausgetauscht, mit der er nicht zufrieden war. Danach bin ich zurück ins Werk und habe mir berichten lassen. Inzwischen haben wir da ein neues Modell und der Zimmermann ist zufrieden.

Apropos neues Modell: Sie haben die Firma vor 32 Jahren von Ihrem Vater Artur übernommen. 2011 haben Sie die Geschäftsführung an die dritte Generation übergeben. Nun ist Ihr Sohn Jörg Klaus nach 15 Monaten überraschend wieder ausgeschieden und Sie sind wieder der Chef im Haus. War’s das mit einem der bekanntesten Familienunternehmen Deutschlands?
Nein, wir bleiben ein Familienunternehmen. Das habe ich der Belegschaft gesagt.