Ohnmachtsgefühle, Heimweh, demütigende Bestrafungen – die Berichte der Verschickungskinder sind erschreckend. Das baden-württembergische Sozialministerium will die Geschehnisse nun wissenschaftlich erforschen lassen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Das Sozialministerium Baden-Württemberg macht Tempo und lädt zu einen Runden Tisch zum Thema Verschickungskinder ein. Gemeint sind damit die Kinder, die von Ende der 40er bis weit in die 80er Jahre von Hausärzten in Kinderkuren verschickt wurden. Für Februar plane das Ministerium ein erstes Gespräch auf Arbeitsebene, bestätigte eine Sprecherin. Dem Vernehmen nach sind unter anderem Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung und sowie Wohlfahrtsverbände geladen

 

Betroffene sollen beteiligt werden

Damit soll der Weg für eine Aufarbeitung bereitet werden, „die wissenschaftlich unabhängig sein und die Expertise der Betroffenen eng einbeziehen soll“, heißt es aus dem Ministerium. Die Initiative Verschickungskinder war Ende November mit den Forderungen nach Aufarbeitung der Vorgänge in den Kinderkurheimen an die Öffentlichkeit gegangen. Den Berichten der Betroffenen zufolge waren sie dort extremen und demütigenden Erziehungsmethoden ausgesetzt.

Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Luche (Grüne) nennt die Berichte verstörend. Es müsse auch thematisiert werden, „warum Kinder bereits in frühster für eine aus Kleinkindersicht nicht vorstellbare Zeit von ihren Eltern zum Teil ohne Besuchsmöglichkeit getrennt wurden“. Ebenfalls geklärt werden soll, welche Auswirkungen diese Erfahrungen auf das Leben der Betroffenen hatte. Nach Schätzungen von Alwin Baumann, dem Sprecher des Bündnisses Kinder- und Jugendreha, wurden jährlich eine Viertelmillion Kinder an die Nordsee oder in die Berge verschickt.

Initiative: Land zeigt Verantwortung

Andrea Weyrauch, Koordinatorin der baden-württembergischen Verschickungskinder-Regionalgruppe, lobt, wie schnell das Land reagiert habe, aktiv auf die Beteiligten zugegangen sei und so zu seiner Verantwortung stehe. Anja Röhl, die Initiatorin der Initiative, sieht die Gespräche als guten Anfang der Aufarbeitung.