Viele Staatsdiener sind wütend über die Sparpolitik der Länder – auch über den Vorstoß von Ministerpräsident Kretschmann, die Pensionen anzutasten. Dennoch bevorzugen sie Rot-Grün.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Einschnitte bei der Entlohnung und Versorgung im öffentlichen Dienst hat es immer wieder gegeben – auch Diskussionen über die Zukunft des Berufsbeamtentums. Doch nun geraten die Staatsdiener wie nie zuvor unter Druck. Anlass ist die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die es den Ländern von 2020 an verbietet, neue Schulden zu machen. Diese Vorgabe dürfte manchem Bundesland noch existenzielle Schwierigkeiten bereiten, weshalb bereits eine neue Föderalismusreform denkbar wird (siehe Interview). Die Notwendigkeit zu handeln hat auch mit den gigantischen Pensionskosten zu tun, die Bund und Länder aufbauen, ohne ausreichend Vorsorge zu treffen.

 

Nun bahnt sich in der Politik ein radikales Umdenken an, wonach die sogar im Grundgesetz abgesicherte Versorgung gekürzt werden könnte. Nach der Bundestagswahl könnte auch das Beamtentum neu infrage gestellt werden. Angeführt wird die Phalanx vom grünen Regierungschef im Südwesten, Winfried Kretschmann. Allein Baden-Württemberg sieht heute schon Pensionslasten von fast 70 Milliarden Euro auf sich zukommen. Im Oktober übernimmt Kretschmann den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz – diese Chance will er offenbar dazu nutzen, um die Amtskollegen zum Umdenken zu bringen.

Union liegt vor den Grünen und der SPD

Bei der Landtagswahl 2011 hatten die Beamten in großer Zahl für die Grünen votiert. Seither hat sich infolge der Sparbeschlüsse ein Rosenkrieg mit dem Landesbeamtenbund entwickelt. Dessen Führung rät unverblümt dazu, Rot-Grün am 22. September die Stimme zu verweigern. In Nordrhein-Westfalen lässt sich die SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf einen Dauerkrach ein und zwingt die besser verdienenden Beamten zur Nullrunde. Im Gegensatz dazu erfüllt die CSU-geführte Regierung in Bayern, wo am 15. September gewählt wird, derzeit alle Wünsche der Staatsdiener.Dies alles – und das ist eine Überraschung – scheint die Beamten bundesweit bei ihrer Wahlentscheidung am 22. September kaum zu beeinflussen. Denn wären jetzt Bundestagswahlen, dann erhielten CDU/CSU bei den öffentlich Bediensteten mit 36 Prozent zwar die meisten Stimmen, an zweiter Stelle würden aber schon – abweichend vom allgemeinen Wahlverhalten – die Grünen mit 24 Prozent folgen vor der SPD mit 22 Prozent. Ermittelt wurde dies in einer großen Bürgerbefragung, die der Beamtenbund zum siebten Mal vom Forschungsinstitut Forsa erstellen ließ. „Wer hätte gedacht, dass Beamte so grün sind?“, sagte dessen Chef Klaus Dauderstädt gestern in Berlin. Darüber hinaus wäre eine rot-grüne Koalition (32 Prozent) die beliebteste Variante vor Schwarz-Rot (23), Schwarz-Gelb (15) und Schwarz-Grün (12) – wohingegen in der Bevölkerung eine Große Koalition aus Union und SPD bevorzugt wird.

Ergebnisse der Umfrage:

Ergebnisse der Umfrage

Allgemeiner Unmut über die Politik

Nicht zu verkennen ist aber der Unmut der öffentlich Beschäftigten über die Politik. Jeder zweite glaubt, dass sich keine Partei für eine weitere positive Entwicklung des öffentlichen Dienstes einsetzt. Und mehr als die Hälfte der Beamten und Tarifbeschäftigten meinen, keine Partei sorge für mehr Anerkennung ihrer Arbeit. Dies spiegelt den allgemeinen Zorn über die Sparpolitik. „Aus Staatsdienern werden Wutbürger“, heißt es etwa im Fachorgan der Steuergewerkschaft, weil „die Proteststürme gegen Sonderopfer für Beamte nicht abreißen“.Auf den einzelnen Politikfeldern trauen die Befragten der Union am meisten zu. Das gilt vor allem für die innere Sicherheit, den Ausbau der Infrastruktur, die Finanz- und Steuerpolitik sowie die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Ausnahme ist die Bildungspolitik – da meinen die Bürger, dass die SPD die größten Kompetenzen habe. Diese Ansicht konterkariert den Streit über die Schulpolitik in Baden-Württemberg, der schon eine SPD-Kultusministerin zur Aufgabe zwang. Noch mehr punkten die Sozialdemokraten in der Sozialpolitik. Insgesamt zeigt sich, dass Beamte häufiger der CDU/CSU, Tarifbeschäftigte eher der SPD Kompetenz zutrauen.

Der Ruf des Beamten wird besser

Befragt wurden gut 3000 Bürger – unter ihnen 800 Beamte und 1200 Tarifbeschäftigte. Wie in den Vorjahren hat der Feuerwehrmann das höchste Ansehen, gefolgt von Kranken- und Altenpflegern, Ärzten, Kitabetreuerinnen und Polizisten. Der Beamte als solcher rangiert im unteren Mittelfeld. Doch ist dessen Ruf offenbar besser geworden. 2007 hatten lediglich fünf Berufsgruppen ein schlechteres Ansehen als der Beamte. Diesmal sind es neun. Drei von vier Bürgern halten die Beamten für pflicht- und verantwortungsbewusst sowie zuverlässig. Für 46 Prozent sind Beamte stur, für gut jeden Dritten sind sie arrogant. 16 Prozent halten sie für überflüssig.

Verglichen mit der ersten Bürgerbefragung von 2007 werden alle positiven Eigenschaften den Beamten öfter, alle negativen seltener angerechnet. Dieser Imagegewinn mag den Gewerkschaften eine Argumentationsstütze sein, wenn es nach der Wahl ums Ganze geht. Entscheidender dürfte jedoch Kooperationsbereitschaft sein, sonst könnte die Politik ihre weiteren Eingriffe ohne Zutun der Beamtenvertreter beschließen.